Rechtliche Tragweite von Formulierungen im Schenkungsvertrag

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Rechtliche Tragweite von Formulierungen im Schenkungsvertrag

Wer Vermögenswerte zu Lebzeiten überträgt, sollte auf jedes Wort achten. Ein aktuelles Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) verdeutlicht, wie entscheidend präzise Formulierungen in Schenkungsverträgen sind – besonders im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Der Unterschied zwischen einem unverbindlichen Wunsch und einer rechtlich bindenden Verpflichtung kann erhebliche finanzielle Konsequenzen haben.

Die rechtliche Interpretation von Vertragsklauseln

Bei der Auslegung von Verträgen gelten klare juristische Prinzipien. Anders als bei letztwilligen Verfügungen kommen bei Schenkungsverträgen die allgemeinen Auslegungsregeln für Verträge zur Anwendung. Dabei wird vom Wortlaut ausgegangen, um die tatsächliche Absicht der Vertragsparteien zu ermitteln.

Der OGH (2 Ob 193/23f) hat in seiner Rechtsprechung klargestellt: Ein „Wunsch“ ist seinem Wortsinn nach eine rechtlich unverbindliche Äußerung zu einem erhofften Verhalten. Selbst wenn dieser Wunsch „ausdrücklich“ formuliert wird und vom Empfänger „zur Kenntnis genommen“ wird, entsteht dadurch keine rechtliche Verpflichtung.

Wie der OGH zwischen Wunsch und Verpflichtung unterscheidet

Im untersuchten Fall hatte ein Vater mehrere Liegenschaften, Gesellschaftsanteile und einen Familienbetrieb an seinen Sohn übertragen. Im Schenkungsvertrag von 1993 wurde festgehalten: „Der Geschenkgeber spricht den ausdrücklichen Wunsch aus, der Geschenknehmer möge, falls er ohne leibliche Nachkommen sterben sollte, sämtliche Schenkungsobjekte dem Enkel des Geschenkgebers vermachen. Der Geschenknehmer nimmt diesen Wunsch ausdrücklich zur Kenntnis.“

Nach dem Tod des Vaters übertrug der Sohn die Vermögenswerte an eine Gesellschaft in seinem Alleineigentum. Als er später kinderlos verstarb, forderte der im Vertrag genannte Enkel (tatsächlich der Neffe des Sohnes) die Herausgabe der Vermögenswerte.

Der OGH entschied jedoch, dass die Formulierung „ausdrücklicher Wunsch“ keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet. Bei der Beurteilung berücksichtigte das Gericht:

  1. Den Wortsinn des Begriffs „Wunsch“

  2. Die familiären Umstände

  3. Andere Klauseln im selben Vertrag, die explizite Verpflichtungen enthielten

Diese Umstände deuteten demnach darauf hin, dass dem „Wunsch“ bewusst keine rechtliche Verbindlichkeit zukommen sollte. Folglich ging der Neffe leer aus.

Sprachliche Sorgfalt bei der Formulierung von Schenkungsbedingungen

Bei der Gestaltung von Schenkungsverträgen im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge ist die sprachliche Präzision von höchster Bedeutung. Wer tatsächlich rechtlich bindende Vorgaben für den Beschenkten schaffen möchte, sollte Begriffe wählen, die eindeutig eine Verpflichtung zum Ausdruck bringen. Die Rechtsprechung unterscheidet hier klar zwischen Formulierungen, die lediglich einen Wunsch oder eine Hoffnung ausdrücken, und solchen, die eine echte rechtliche Bindungswirkung entfalten.

Entscheidend ist dabei nicht nur die Wortwahl selbst, sondern auch der Kontext des Gesamtvertrags. Wie im diskutierten Fall deutlich wurde, kann die Verwendung expliziter Verpflichtungen an anderen Stellen des Vertrags ein Indiz dafür sein, dass bewusst zwischen verbindlichen und unverbindlichen Äußerungen unterschieden werden sollte. Wer sicherstellen möchte, dass seine Vorgaben für die weitere Verwendung des geschenkten Vermögens auch tatsächlich durchsetzbar sind, sollte daher auf Formulierungen zurückgreifen, die unmissverständlich eine rechtliche Bindung erzeugen. Umgekehrt können Schenkende, die dem Beschenkten bewusst Freiheiten einräumen wollen, dies durch die explizite Kennzeichnung als unverbindlichen Wunsch zum Ausdruck bringen.

Résumé

Die sorgfältige Formulierung von Schenkungsverträgen und letztwilligen Verfügungen ist entscheidend, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Eine einfache, aber effektive Methode zur Überprüfung einer Vertragsklausel ist die Kontrollfrage: Könnte diese Formulierung von anderen Personen anders verstanden werden?

Wer sicherstellen möchte, dass sein Vermögen nach bestimmten Vorstellungen weitergegeben wird, sollte auf eindeutige, rechtlich bindende Formulierungen setzen und gegebenenfalls professionelle rechtliche Beratung in Anspruch nehmen.

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Pflichtteilsrecht bei Privatstiftungen: Rechtliche Möglichkeiten für Erben

Ein Berg von Münzen mit einer Uhr im Hintergrund
Ein Berg von Münzen mit einer Uhr im Hintergrund

Pflichtteilsrecht bei Privatstiftungen: Rechtliche Möglichkeiten für Erben

Was passiert mit dem Pflichtteilsanspruch, wenn Erblasser ihr Vermögen in Privatstiftungen einbringen? Immer mehr Pflichtteilsberechtigte müssen ihre Ansprüche gegen solche Stiftungskonstruktionen durchsetzen. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten für betroffene Erben.

Die Problematik: Vermögensübertragung in Stiftungen

Stellen Sie sich die folgende Situation vor: Ein Vater gründet eine Privatstiftung und überträgt sein gesamtes Vermögen in diese Stiftung. Er behält sich wichtige Rechte vor, wie die Möglichkeit, die Stiftungsurkunde zu ändern oder die Stiftung zu widerrufen. Sein Sohn wird als Begünstigter eingesetzt. Nach dem Tod des Vaters fünf Jahre später hat die Verlassenschaft keinen Wert mehr, da alle Vermögenswerte bereits der Stiftung gehören. Bedeutet dies, dass seine Tochter, die nicht als Begünstigte eingesetzt wurde, tatsächlich leer ausgeht?

Schutz durch Schenkungsanrechnung

Das Erbrecht kennt ein wichtiges Instrument zum Schutz von Pflichtteilsberechtigten: die Schenkungsanrechnung. Sie verhindert, dass das Pflichtteilsrecht durch Schenkungen zu Lebzeiten umgangen werden kann. Dabei werden Schenkungen des Verstorbenen in die Berechnungsbasis für die Pflichtteile einbezogen.

Das Gesetz unterscheidet grundsätzlich zwischen:

  1. Schenkungen an andere Pflichtteilsberechtigte (Kinder, Ehegatten): Diese sind zeitlich unbegrenzt anzurechnen. Hat der Erblasser beispielsweise vor 30 Jahren seiner Tochter ein Haus geschenkt, fällt diese Schenkung unter die Anrechnungspflicht.

  2. Schenkungen an Dritte: Diese werden nur dann angerechnet, wenn sie innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod erfolgten. Eine Schenkung an die Lebensgefährtin, die drei Jahre zurückliegt, würde demnach nicht mehr berücksichtigt.

Der Sonderfall Privatstiftung

Bei Privatstiftungen wird die rechtliche Situation komplexer:

  • Zunächst gilt: Die Privatstiftung selbst ist keine pflichtteilsberechtigte Person, weshalb grundsätzlich die Zweijahresfrist anwendbar wäre.

  • Entscheidend ist jedoch: Hat sich der Stifter bestimmte Rechte in der Stiftung vorbehalten (wie Änderungs- oder Widerrufsrecht), gilt die Schenkung rechtlich als noch nicht vollständig vollzogen. Die Zweijahresfrist beginnt in diesem Fall überhaupt nicht zu laufen.

Durchsetzungsmöglichkeiten für verkürzte Erben

Im beschriebenen Beispielfall kann die Tochter ihren erhöhten Pflichtteil tatsächlich von der Privatstiftung fordern, obwohl die Vermögensübertragung bereits fünf Jahre zurückliegt. Der Grund: Durch die vorbehaltenen Rechte des Vaters in der Stiftung wird rechtlich angenommen, dass er das „Vermögensopfer“ nicht vollständig erbracht hat – die Anrechnungsfrist hat daher nie begonnen.

Der Pflichtteilsberechtigte hat folgende Möglichkeiten:

  1. Auskunftsanspruch nutzen: Zunächst kann er von der Privatstiftung Auskunft über das eingebrachte Vermögen verlangen.

  2. Pflichtteilsanspruch bewerten: Mit diesen Informationen lässt sich der konkrete Anspruch berechnen.

  3. Gerichtliche Durchsetzung: Kommt keine außergerichtliche Einigung zustande, kann er seinen Anspruch gerichtlich geltend machen.

Begünstigtenstellung als zusätzlicher Faktor

Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Begünstigtenstellung anderer Personen (wie im Beispiel des Bruders). Hat diese Begünstigtenstellung einen bewertbaren wirtschaftlichen Wert, gilt sie ebenfalls als Schenkung des Erblassers. Der verkürzte Pflichtteilsberechtigte müsste seinen erhöhten Pflichtteilsanspruch dann teilweise gegen die Privatstiftung und teilweise gegen den begünstigten Bruder geltend machen.

Résumé

Die Übertragung von Vermögen in eine Privatstiftung führt nicht automatisch zum Verlust des Pflichtteilsanspruchs. Das Rechtsinstrument der Schenkungsanrechnung bietet Pflichtteilsberechtigten auch in diesen Fällen Schutzmöglichkeiten. Die komplexe Rechtslage erfordert jedoch eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls und eine solide rechtliche Beratung.

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Bankgarantien im Baurecht: Rechtsmissbrauch beim Abruf

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Bankgarantien im Baurecht: Rechtsmissbrauch beim Abruf

Bei Bankgarantien im Baugewerbe gilt grundsätzlich der Grundsatz „erst zahlen, dann streiten“. Doch unter bestimmten Umständen kann ein Abruf rechtsmissbräuchlich sein – wir erklären, wann dies der Fall ist und welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen.

Bankgarantie als Sicherungsinstrument im Baugewerbe

Bankgarantien sind ein wesentliches Instrument zur Absicherung der Vertragspartner im Bauwesen. Insbesondere als Sicherstellung nach § 1170b ABGB spielen sie eine zentrale Rolle. Diese Sicherstellung dient in erster Linie dazu, den Auftragnehmer (beispielsweise einen Generalunternehmer) davor zu schützen, dass er Bauleistungen erbringt, ohne hierfür ein Entgelt zu erhalten. Die Bankgarantie fungiert dabei als Haftungsfonds für ausstehende Zahlungen.

Neben Bankgarantien können auch andere Sicherungsmittel wie Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher oder Versicherungen als Sicherstellungen dienen. In der Praxis erfreuen sich Bankgarantien jedoch besonderer Beliebtheit, da sie für beide Seiten Vorteile bieten.

Das Grundprinzip: "Erst zahlen, dann streiten"

Der grundlegende Sinn einer abstrakten Bankgarantie besteht darin, dem Begünstigten eine sichere und durch Einwendungen nicht verzögerte Zahlung zu gewährleisten. Die Idee dahinter lässt sich auf die einfache Formel „erst zahlen, dann streiten“ reduzieren. Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien sollen erst nach erfolgter Zahlung ausgetragen werden.

Bei abstrakten Garantien ist die Zahlungsverpflichtung der Bank von der Wirksamkeit des Grundgeschäfts unabhängig. Die Bank muss zahlen, sobald die im Garantievertrag festgelegten formalen Voraussetzungen erfüllt sind – ohne dass sie berechtigt wäre, Einwendungen aus dem Grundgeschäft zu prüfen.

Wann liegt ein rechtsmissbräuchlicher Abruf vor?

Obwohl das Prinzip der abstrakten Garantie eine schnelle und unkomplizierte Zahlung vorsieht, gibt es eine wichtige Einschränkung: Ein rechtsmissbräuchlicher Abruf ist unzulässig. Doch wann genau liegt ein solcher Rechtsmissbrauch vor?

Ein rechtsmissbräuchlicher Abruf kann insbesondere in folgenden Fällen angenommen werden:

  • Wenn die Bankgarantie für einen Zweck in Anspruch genommen wird, für den sie nicht übernommen wurde

  • Wenn sie für etwas beansprucht wird, wofür evident kein Anspruch besteht

  • Wenn das Erhaltene sofort wieder herauszugeben wäre

Entscheidend ist dabei, dass das Nichtbestehen des Anspruchs evident, also offensichtlich und eindeutig erkennbar sein muss. Solange der Begünstigte aus vertretbaren Gründen annehmen darf, legitimiert zu sein, liegt kein Rechtsmissbrauch vor.

Die Beweislast liegt bei demjenigen, der sich auf den Rechtsmissbrauch beruft. Dies bedeutet, dass der Garantieauftraggeber klar und eindeutig nachweisen muss, dass der Abruf rechtsmissbräuchlich erfolgt.

Rechtliche Gegenwehr: Die einstweilige Verfügung

Wenn ein rechtsmissbräuchlicher Abruf einer Bankgarantie droht, besteht die Möglichkeit, dagegen mit einer einstweiligen Verfügung vorzugehen. Hierfür müssen zwei zentrale Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Die Behauptung und Bescheinigung eines bestimmten Anspruchs

  2. Das Vorliegen einer konkreten Gefährdung

Der Anspruch des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten auf Widerruf des Abrufs kann nur dann durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden, wenn der Nichteintritt des Garantiefalls eindeutig nachgewiesen wird. Dies stellt eine hohe Hürde dar, die dem Grundsatz „erst zahlen, dann streiten“ Rechnung trägt.

Auswirkungen eines Vertragsrücktritts auf die Bankgarantie

Besonders relevant wird die Frage des Rechtsmissbrauchs, wenn es zum Vertragsrücktritt kommt. Tritt ein Vertragspartner wirksam vom Vertrag zurück (beispielsweise nach § 918 Abs 1 ABGB), gilt der Vertrag mit Wirkung ex tunc – also rückwirkend von Beginn an – als aufgelöst.

Dies hat weitreichende Konsequenzen:

  • Der Erfüllungsanspruch besteht nicht mehr

  • Bereits erbrachte Leistungen sind zurückzugeben oder deren Wert zu ersetzen

  • Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung bleiben unberührt

Wenn in einem solchen Fall eine Partei trotz Vertragsrücktritts und offensichtlich fehlender Ansprüche eine Bankgarantie abrufen will, kann dies als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden.

Résumé

Bankgarantien sind ein wichtiges Instrument im Baurecht, um Zahlungsflüsse abzusichern und das Vertrauen zwischen den Vertragsparteien zu stärken. Das Prinzip „erst zahlen, dann streiten“ soll dabei für Rechtssicherheit sorgen. Dennoch hat dieses Prinzip seine Grenzen – nämlich dort, wo ein Abruf offensichtlich rechtsmissbräuchlich erfolgt.

In der Praxis ist eine sorgfältige Vertragsgestaltung und präzise Formulierung der Abrufbedingungen von großer Bedeutung. Bei Anzeichen eines rechtsmissbräuchlichen Abrufs empfiehlt sich schnelles Handeln und die Prüfung rechtlicher Schritte wie einer einstweiligen Verfügung.

Entscheidend bleibt: Nur wenn der Rechtsmissbrauch evident ist, besteht eine realistische Chance, gegen den Abruf einer Bankgarantie vorzugehen. In allen anderen Fällen gilt der Grundsatz: Erst wird gezahlt, dann wird gestritten.

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Schadenersatz statt Gewährleistung? Rechtliche Fragen im Baurecht

Ein Architekt, welcher mit einem Plan vor einem Haus steht
Ein Architekt, welcher mit einem Plan vor einem Haus steht

Schadenersatz statt Gewährleistung? Rechtliche Fragen im Baurecht

Bei Mängeln an Bauprojekten stellt sich oft die Frage: Habe ich einen Anspruch auf Schadenersatz oder nur auf Gewährleistung? Dieser Blogbeitrag erklärt die rechtlichen Grundlagen und wann Sie tatsächlich einen Schadenersatz fordern können.

Gewährleistung vs. Schadenersatz: Die rechtlichen Unterschiede

Im österreichischen Recht gibt es zwei wesentliche Anspruchsgrundlagen, wenn es um Mängel geht: die Gewährleistung und den Schadenersatz. Während die Gewährleistung verschuldensunabhängig ist, setzt der Schadenersatz ein schuldhaftes Verhalten des Übergebers voraus. Dieser Unterschied ist entscheidend für die Rechtsfolgen und die Ansprüche, die der Übernehmer geltend machen kann.

Die Gewährleistung ist im ABGB verankert und bietet dem Übernehmer einer Sache oder Leistung Schutz vor mangelhafter Erfüllung. Bei der Gewährleistung steht zunächst die Naturalrestitution – also Verbesserung oder Austausch – im Vordergrund. Der Gesetzgeber räumt dem Übergeber hier bewusst eine „zweite Chance“ ein, bevor weitergehende Ansprüche geltend gemacht werden können.

Die Stufenleiter der Gewährleistung

Das Gesetz sieht einen klaren Ablauf bei Gewährleistungsansprüchen vor. Bei Feststellung eines Mangels kann der Übernehmer nicht sofort den Preis mindern oder vom Vertrag zurücktreten, sondern muss zunächst Verbesserung oder Austausch fordern. Dies ist die sogenannte „primäre Gewährleistungsbehelfe“.

Erst wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, stehen dem Übernehmer die „sekundären Gewährleistungsbehelfe“ – Preisminderung oder Vertragsauflösung – zu. Diese Voraussetzungen sind:

  • Unmöglichkeit der Verbesserung oder des Austauschs

  • Unverhältnismäßig großer Aufwand für den Übergeber

  • Weigerung des Übergebers zur Mängelbehebung

  • Verzug bei der Mängelbehebung

  • Erhebliche Unannehmlichkeiten für den Übernehmer

  • Unzumutbarkeit aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen (Vertrauensverlust)

Schadenersatz als Alternative zur Gewährleistung

Wenn der Übergeber den Mangel schuldhaft verursacht hat, kann neben oder anstelle der Gewährleistung auch Schadenersatz gefordert werden. Ähnlich wie bei der Gewährleistung besteht der primäre Schadenersatzanspruch in der Verbesserung oder dem Austausch der mangelhaften Sache.

Allerdings kann unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Gewährleistung auch das sogenannte Erfüllungsinteresse in Form von Geldersatz gefordert werden. Dieses umfasst in der Regel die Kosten, die für die Behebung des Mangels notwendig sind.

Der Verbesserungsverzug als entscheidender Faktor

Ein zentraler Punkt für den Übergang zu sekundären Ansprüchen ist der Verbesserungsverzug. Dieser liegt vor, wenn der Übergeber die Mängelbehebung nicht in angemessener Frist durchführt. Was „angemessen“ ist, muss im Einzelfall beurteilt werden und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Art des Mangels, der erforderlichen technischen Maßnahmen und den Umständen des Falls.

Wichtig ist: Um Verbesserungsverzug geltend machen zu können, muss der Übernehmer den Mangel konkret beschreiben und ein eindeutiges Verbesserungsbegehren stellen. Ein bloßer Verweis auf ein Privatgutachten oder ein allgemeines Anwaltsschreiben reicht hierfür nicht aus.

Vertrauensverlust als Grund für direkten Geldersatz

Ein besonders interessanter Aspekt ist der Vertrauensverlust als Grund für die unmittelbare Forderung nach Geldersatz. Ein solcher Vertrauensverlust kann insbesondere in folgenden Situationen eintreten:

  • Trotz konkreter Rüge wird mangelhaft geleistet

  • Die mangelhafte Leistung betrifft sicherheitsrelevante Aspekte

  • Der Übergeber hat bewusst oder grob fahrlässig gehandelt

Allerdings sind die Anforderungen an einen Vertrauensverlust hoch. Nicht jede Unstimmigkeit oder kleinere Mängel rechtfertigen die Annahme eines Vertrauensverlusts. Es muss vielmehr eine erhebliche Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses vorliegen.

Das Deckungskapital: Keine Vorleistungspflicht für den Übernehmer

Ein wichtiger praktischer Aspekt im Zusammenhang mit Schadenersatzansprüchen ist das sogenannte Deckungskapital. Damit der Übernehmer nicht in „Vorkasse“ gehen muss, kann er vom Übergeber einen zweckgebundenen Vorschuss fordern. Dieser dient dazu, die Mängelbehebung zu finanzieren, ohne dass der Übernehmer zunächst selbst die Kosten tragen muss.

Résumé

Ob Schadenersatz statt Gewährleistung gefordert werden kann, ist stets eine Einzelfallentscheidung. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Voraussetzungen, insbesondere was den Verbesserungsverzug und den Vertrauensverlust betrifft.

Für Bauherren und Käufer ist es daher wichtig, Mängel präzise zu dokumentieren und konkrete Verbesserungsbegehren zu stellen. Nur so können sie ihre Rechte effektiv wahrnehmen und im Bedarfsfall auch Schadenersatzansprüche durchsetzen.

Die rechtliche Bewertung solcher Fälle ist komplex und sollte im Zweifel mit fachkundiger Unterstützung erfolgen, um die eigenen Chancen realistisch einschätzen zu können.

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Wann ist ein Kalkulationsirrtum im Baugewerbe rechtlich anfechtbar?

Ein Taschenrechner liegt auf einem karierten Blatt Papier
Ein Taschenrechner liegt auf einem karierten Blatt Papier

Wann ist ein Kalkulationsirrtum im Baugewerbe rechtlich anfechtbar?

Ein falsch berechneter Preis kann teuer werden – doch nicht jeder Rechenfehler führt automatisch zu einem Anspruch auf Vertragsanpassung. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in einer Entscheidung die Voraussetzungen für die Anfechtung von Kalkulationsirrtümern präzisiert und wichtige Grundsätze für die Praxis festgelegt. Der folgende Beitrag erläutert die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Irrtumsanfechtung bei fehlerhafter Preiskalkulation.

Grundsatz: Kalkulationsirrtum als unbeachtlicher Motivirrtum

Grundsätzlich gilt: Ein bloßer Irrtum bei der Kalkulation stellt nach ständiger Rechtsprechung des OGH einen sogenannten Motivirrtum dar. Dieser ist rechtlich unbeachtlich und kann somit nicht erfolgreich angefochten werden. Der Kalkulationsirrtum betrifft in diesen Fällen lediglich die internen Überlegungen einer Vertragspartei, die für den Vertragspartner nicht erkennbar sind und daher nicht in den rechtlich geschützten Vertrauensbereich fallen.

Der externe Kalkulationsirrtum – wann wird er beachtlich?

Anders verhält es sich, wenn die Kalkulation zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen oder zum Inhalt des Vertrages gemacht wurde. In diesem Fall spricht man von einem „externen Kalkulationsirrtum“, der sehr wohl anfechtbar sein kann. Der OGH hat hierzu festgestellt, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

  1. Die Kalkulationsgrundlage muss gegenüber dem Vertragspartner offengelegt werden.

  2. Es muss ein Einvernehmen darüber bestehen, dass das Geschäft auf Basis dieser spezifischen Kalkulation abgeschlossen wird.

Diese Grundsätze können unter bestimmten Umständen auch auf Pauschalpreisvereinbarungen angewendet werden, wie der OGH in seiner ständigen Rechtsprechung klargestellt hat.

Zusätzliche Voraussetzungen nach § 871 ABGB

Selbst wenn ein beachtlicher externer Kalkulationsirrtum vorliegt, ist eine Irrtumsanfechtung nur möglich, wenn mindestens eine der drei Alternativvoraussetzungen des § 871 ABGB erfüllt ist:

  • Der Irrtum wurde vom Vertragspartner veranlasst.

  • Der Irrtum hätte dem Vertragspartner auffallen müssen.

  • Der Irrtum wurde nicht rechtzeitig aufgeklärt.

Veranlassung eines Irrtums – was bedeutet das?

Unter „Veranlassung“ versteht die Rechtsprechung, dass ein Verhalten des Vertragspartners adäquat ursächlich für den Irrtum war – auch wenn kein Verschulden vorliegt. Diese Kausalität kann jedoch in bestimmten Fällen verneint werden: Wenn dem Irrenden ein Verschulden anzulasten ist, kann dies die Annahme ausschließen, dass der Irrtum durch den anderen veranlasst wurde.

Beispielsweise werden offensichtlich unrichtige Angaben, deren Überprüfung dem anderen Teil leicht möglich gewesen wäre, nicht als zur Täuschung geeignete Irreführungshandlungen angesehen. Wenn der Erklärungsempfänger solche Angaben ungeprüft übernimmt, gilt sein Irrtum nicht als vom Vertragspartner veranlasst.

Rechtsfolgen: Vertragsanpassung oder -aufhebung?

Ist ein Geschäftsirrtum beachtlich und liegt eine der Voraussetzungen des § 871 ABGB vor, stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen. Hier unterscheidet das Gesetz:

  • Bei einem wesentlichen Irrtum kann der Irrende grundsätzlich die Aufhebung des Vertrages verlangen.

  • Nach § 872 ABGB kann der Irrende aber auch wählen, den Irrtum wie einen unwesentlichen zu behandeln und statt der Aufhebung eine angemessene Vertragsanpassung fordern.

Die Vertragsanpassung setzt allerdings voraus, dass die Vertragsteile zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hypothetisch bereit gewesen wären, den Vertrag zu den nun geforderten Bedingungen abzuschließen. Nur wenn positiv feststeht, dass der Vertragspartner zu den geänderten Bedingungen nicht abgeschlossen hätte, ist die Vertragsänderung abzulehnen.

Kann die Irrtumsanfechtung ausgeschlossen werden?

Im unternehmerischen Rechtsverkehr (außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG) kann auf die Anfechtung wegen Irrtums durchaus im Vorhinein verzichtet werden. Dieser Verzicht ist allerdings nur wirksam, wenn:

  1. Der Irrtum nicht grob fahrlässig veranlasst wurde.

  2. Sich der Verzicht unzweifelhaft aus der Erklärung ergibt.

Résumé

Die Rechtsprechung zu Kalkulationsirrtümern zeigt, dass nicht jeder Rechenfehler automatisch zu einer Vertragsanpassung führt. Entscheidend ist, ob die Kalkulation Vertragsbestandteil wurde und ob eine der gesetzlichen Voraussetzungen für die Irrtumsanfechtung vorliegt. Unternehmen sollten daher bei Angebotskalkulationen besondere Sorgfalt walten lassen und im Zweifelsfall kritische Kalkulationsgrundlagen explizit im Vertrag festhalten, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Für den praktischen Umgang mit möglichen Kalkulationsirrtümern empfiehlt es sich, bereits während der Leistungserbringung auftretende Abweichungen zu dokumentieren und zeitnah Gespräche über eine angemessene Vergütungsanpassung zu führen.

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