Ein Mann steht vor einem Vertrag

Wann ist ein Testament auf mehreren Blättern ungültig?

Die bloße Textfortsetzung bei computergeschriebenen Testamenten reicht nicht aus – was Sie über die Rechtsprechung zu fremdhändigen Testamenten wissen müssen.

Textfortsetzung allein genügt nicht

Der OGH hat in seiner Entscheidung 2 Ob 29/22m klargestellt, dass bei einem computergeschriebenen fremdhändigen Testament, welches aus mehreren losen Blättern besteht, die reine Fortsetzung des Textes von einem Blatt zum nächsten nicht ausreichend ist, um die erforderliche innere Urkundeneinheit herzustellen.

Diese Entscheidung markiert eine bedeutende Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, die unter bestimmten Umständen eine Textfortsetzung als ausreichend ansah. Die Richter des Fachsenats unterzogen die bisherige Judikatur einer kritischen Überprüfung und kamen zu dem Schluss, dass die bisherigen Kriterien den Anforderungen an Rechtssicherheit und Fälschungsschutz nicht mehr genügen.

Was bedeutet Urkundeneinheit bei Testamenten?

Für die Gültigkeit eines fremdhändigen Testaments, das sich über mehrere Blätter erstreckt, ist grundsätzlich eine sogenannte Urkundeneinheit erforderlich. Diese kann auf zwei Arten hergestellt werden:

Äußere Urkundeneinheit

Die äußere Urkundeneinheit entsteht durch die physische Verbindung der einzelnen Blätter. Dies kann beispielsweise durch Heftung, Bindung oder andere dauerhafte Verbindungsmethoden erreicht werden. Diese Form der Verbindung stellt sicher, dass die Blätter nicht nachträglich ausgetauscht oder ergänzt werden können.

Innere Urkundeneinheit

Die innere Urkundeneinheit bezieht sich auf die inhaltliche Verbindung der einzelnen Teile. Nach der neuen Rechtsprechung kann diese beispielsweise durch einen vom Testator unterfertigten Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit eindeutiger Bezugnahme auf die letztwillige Verfügung hergestellt werden. Die bloße Fortsetzung eines Satzes über mehrere Blätter hinweg reicht hingegen nicht mehr aus.

Testament auf mehreren Blättern: Was ist zu beachten?

📄 Urkundeneinheit bei fremdhändigen Testamenten

GÜLTIG

Äußere Urkundeneinheit

  • Physische Verbindung der Blätter
  • Heftung oder Bindung
  • Keine losen Blätter
  • Manipulationssicher
GÜLTIG

Innere Urkundeneinheit

  • Unterfertigter Vermerk auf jedem Blatt
  • Eindeutige Bezugnahme zum Testament
  • Datum und Unterschrift
  • Durchnummerierte Seiten

Nicht mehr ausreichend seit OGH 2 Ob 29/22m

UNGÜLTIG

Bloße Textfortsetzung

  • Satz wird auf nächstem Blatt fortgesetzt
  • Keine physische Verbindung
  • Kein Vermerk mit Bezugnahme
  • Besonders bei PC-geschriebenen Texten

⚠️ Wichtiger Hinweis

Computergeschriebene Testamente sind besonders anfällig: Der OGH betont das erhöhte Fälschungsrisiko bei digital erstellten Dokumenten. Eine einfache Textfortsetzung bietet keinen ausreichenden Schutz vor nachträglichen Manipulationen.

Empfehlung: Verwenden Sie bei mehrseitigen Testamenten immer eine physische Verbindung oder versehen Sie jede Seite mit Datum, Unterschrift und eindeutigem Bezug zum Testament.

Warum die Verschärfung der Formvorschriften?

Der OGH begründete seine Entscheidung mit mehreren gewichtigen Argumenten:

Computergeschriebene Dokumente lassen sich wesentlich leichter manipulieren als handschriftliche Verfügungen. Ein einzelnes loses Blatt kann problemlos ausgetauscht oder nachträglich eingefügt werden, ohne dass dies ohne weiteres erkennbar wäre. Die Textfortsetzung bietet hier keinen ausreichenden Schutz vor Verfälschungen.

Die bisherige Praxis führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Es war oft vom Zufall abhängig, ob ein Testament als gültig angesehen wurde – je nachdem, ob ein Satz zufällig über zwei Blätter hinweg fortgesetzt wurde oder nicht. Diese Willkürlichkeit widerspricht dem Grundsatz der Rechtssicherheit.

Der OGH stellte fest, dass die lockere inhaltliche Verbindung durch bloße Textfortsetzung in einem Spannungsverhältnis zu den strengen Anforderungen steht, die an die äußere Urkundeneinheit gestellt werden. Diese systematische Inkohärenz wurde nun beseitigt.

Praktische Konsequenzen für die Testamentserstellung

Die neue Rechtsprechung hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der Testamentserstellung:

Empfehlungen für sichere Testamente

Um die Formgültigkeit eines fremdhändigen Testaments sicherzustellen, sollten folgende Punkte beachtet werden:

  • Bei mehrseitigen Testamenten sollten die Blätter physisch miteinander verbunden werden (Heftung, Bindung)

  • Alternativ kann auf jedem Blatt ein eindeutiger Bezug zum Testament hergestellt werden

  • Jedes Blatt sollte mit Datum und Unterschrift versehen werden

  • Die Verwendung durchnummerierter Seiten mit entsprechenden Vermerken erhöht die Rechtssicherheit

Überprüfung bestehender Testamente

Angesichts der geänderten Rechtslage empfiehlt es sich, bereits errichtete fremdhändige Testamente einer Überprüfung zu unterziehen. Bestehen diese aus mehreren losen Blättern ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen, könnte ihre Gültigkeit gefährdet sein.

Résumé

Die Entscheidung des OGH unterstreicht die Bedeutung der Formvorschriften im Erbrecht. Während die Verschärfung der Anforderungen zunächst als Erschwernis erscheinen mag, dient sie letztlich dem Schutz des letzten Willens des Erblassers vor Verfälschungen und Manipulationen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Erstellung fremdhändiger Testamente noch größere Sorgfalt walten muss. Die einfachste Lösung besteht darin, von vornherein für eine physische Verbindung der Blätter zu sorgen oder das Testament auf einem einzigen, beidseitig beschriebenen Blatt zu verfassen. Alternativ bietet sich die Errichtung eines eigenhändigen Testaments oder die notarielle Beurkundung an, um Formfehler von vornherein zu vermeiden.

Rechtsanwalt in Salzburg | RA Mag. Bernhard Brandauer LLB.oec

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