Erben ohne Streit in Österreich: So vermeiden Sie Konflikte in der Erbengemeinschaft

Eine Hand schreibt mit einem Stift das Wort "Testament"

Erben ohne Streit in Österreich: So vermeiden Sie Konflikte in der Erbengemeinschaft

Wenn mehrere Personen erben, entsteht schnell eine Erbengemeinschaft – und damit häufig Miteigentum am gesamten Nachlass. Was fair klingt, sorgt in der Praxis oft für Stillstand, Missverständnisse und lange Verfahren. Dieser Beitrag erklärt verständlich, wie eine Erbengemeinschaft in Österreich funktioniert, wer was entscheiden darf, wie man die Gemeinschaft auflöst und – am wichtigsten – wie kluge Testamente und vorausschauende Planung Konflikte von vornherein vermeiden.

Was bedeutet „Erbengemeinschaft“ – und ab wann gilt Miteigentum?

Gibt es mehrere Erbinnen/Erben, bildet sie rechtlich eine Erbengemeinschaft. Mit dem Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens (der Einantwortung) geht die Verlassenschaft in den rechtlichen Besitz der Erben über. Solange keine Teilung vereinbart ist, sind die Erben danach Miteigentümer der Nachlassgegenstände – und zwar mit ideellen Anteilen (Bruchteilen), nicht mit konkreten Stücken. Ein Auto „gehört“ dann z. B. nicht einer Person, sondern allen gemeinsam – etwa je zu einem Drittel.

Über den eigenen Anteil (also den ideellen Bruchteil) kann jede Miteigentümerin/jeder Miteigentümer grundsätzlich frei verfügen. Über die gesamte Sache (Auto, Liegenschaft, Unternehmensanteil etc.) können aber nur alle gemeinsam entscheiden. In der Praxis ist der Verkauf eines bloßen Bruchteils – etwa „ein Drittel eines Autos“ – oft wenig attraktiv, weshalb solche Situationen schnell festfahren.

Nutzung, Verwaltung, Verkauf: Wer entscheidet in der Erbengemeinschaft?

Bei schlichten Miteigentumsgemeinschaften unterscheidet das Gesetz zwischen ordentlicher Verwaltung und wichtigen Veränderungen/Verfügungen:

Hier entscheidet die Mehrheit nach Anteilen, nicht nach Köpfen. Beispiel: Wer 60 % der Anteile hält, hat mehr Stimmgewicht als zwei Miteigentümer mit je 20 %.

Hier ist grundsätzlich Einhelligkeit erforderlich. Kommt keine Einigung zustande, passiert häufig – nichts: Das Objekt steht leer, Kosten laufen weiter, der Wert leidet.

Gerichte definieren die ordentliche Verwaltung als Maßnahmen zur Erhaltung und laufenden Verwaltung, die im Interesse aller stehen und keinen besonderen Kostenaufwand erfordern – alles darüber hinaus gilt als außerordentlich.

Warum Miteigentum so oft Probleme schafft

Solange alle dieselbe Vorstellung haben (nutzen, vermieten, verkaufen?), funktioniert die Gemeinschaft. Doch sobald sich Interessen unterscheiden, wird es kompliziert: Wer darf wann fahren/wohnen? Wer bezahlt Versicherung, Betriebskosten, Sanierung? Was, wenn eine Person verkaufen will, die andere aber nicht? Ohne Einigung blockieren sich die Beteiligten gegenseitig – finanziell, zeitlich und emotional. Genau deshalb braucht Miteigentum hohe Kompromissbereitschaft; im Erbfall ist die jedoch selten, weil sich die Beteiligten die Gemeinschaft nicht ausgesucht haben.

Wege aus der Sackgasse: Einigung, Auszahlung, Gericht

Der einfachste Weg ist die einvernehmliche Teilung durch ein Erbteilungsübereinkommen. Darin wird festgelegt, wer welche Gegenstände oder Ausgleichszahlungen erhält. Häufig übernimmt eine Person einen Gegenstand (z. B. die Liegenschaft) und zahlt die anderen aus. Das kann schon im Verlassenschaftsverfahren vereinbart werden und erspart langwierige Prozesse – scheitert aber oft an den finanziellen Möglichkeiten, gerade bei wertvollen Nachlassobjekten wie Immobilien oder Unternehmen.

Ohne Einigung kann jeder Miteigentümer die gerichtliche Teilung mittels Erbteilungsklage verlangen. Das Gericht prüft, ob eine reale Aufteilung sinnvoll und möglich ist; andernfalls wird das Objekt veräußert und der Erlös nach Anteilen verteilt. Die Erbteilungsklage ist ein gesetzlich vorgesehener Weg zur Aufhebung der Gemeinschaft, aber sie ist meist zeitaufwendig sowie finanziell und emotional belastend.

Wichtig zu wissen: Der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft (Teilung) steht grundsätzlich jedem Miteigentümer zu; bei „Unzeit“ oder Nachteilen für andere kann die Teilung aber aufgeschoben werden.

Streit vermeiden durch Planung: Testament & Schenkungen

Die meisten Konflikte entstehen, weil kein oder kein klares Testament existiert. Dabei ließen sich die typischen Reibungen mit wenigen Weichenstellungen deutlich reduzieren:

Wer soll welchen Gegenstand erhalten? Je klarer die Zuweisung, desto geringer das Risiko späterer Auseinandersetzungen über Nutzung und Eigentum.

Gezielte Übertragungen können Miteigentum an unteilbaren Sachen (v. a. Liegenschaften, Unternehmen) vermeiden und den Nachlass vereinfachen.

Wenn absehbar ist, dass eine Liegenschaft oder ein Betrieb in einer Hand weitergeführt werden soll, sprechen Sie zu Lebzeiten mit allen Beteiligten über Ausgleichszahlungen und Finanzierung (z. B. Bankkredit, Ratenmodell).

Je früher und klarer geregelt wird, wer was bekommt, desto seltener entsteht spätere Blockade – und desto eher bleiben Familienfrieden und Werte erhalten.

Häufige Fragen – kurz beantwortet

Mit dem Einantwortungsbeschluss. Vorher besteht eine (auf das Erbrecht bezogene) Rechtsgemeinschaft; erst mit der Einantwortung geht der Nachlass an die Erben und es entsteht – mangels Teilung – Miteigentum zu ideellen Anteilen.

Grundsätzlich ja – aber praktisch ist der Markt für ideelle Bruchteile (z. B. „1/3 eines Autos oder Hauses“) klein. Für die gesamte Sache (Verkauf/Vermietung) braucht es gemeinsame Entscheidungen – bei wichtigen Veränderungen typischerweise Einstimmigkeit.

Das zählt in der Regel zur ordentlichen Verwaltung. Hier entscheidet die Mehrheit nach Anteilen; Gerichte definieren diese Maßnahmen als solche zur Erhaltung und laufenden Verwaltung ohne besonderen Kostenaufwand.

Durch eine Erbteilungsklage nach § 830 ABGB. Das Gericht teilt real, wenn möglich; sonst ordnet es den Verkauf an und verteilt den Erlös. Bedenken Sie jedoch Zeit-, Kosten- und Belastungsfaktoren.

Fazit

Miteigentum mehrerer Erben führt regelmäßig zu Reibungen. Zwar ermöglicht das Gesetz die gerichtliche Teilung, doch der Weg dorthin ist oft lang und teuer. Besser ist es, Miteigentum von vornherein zu vermeiden: mit einem Testament, das die Teilung anordnet, und – wo sinnvoll – mit Schenkungen zu Lebzeiten. So schaffen Sie Rechtssicherheit, bewahren den familiären Frieden und sichern den Wert des Nachlasses.

Wie beeinflusst die Rückgängigmachung von Schenkungen in Österreich das Erbe?

Eine Person überreicht einer anderen Person ein Geschenk
Eine Person überreicht einer anderen Person ein Geschenk

Wie beeinflusst die Rückgängigmachung von Schenkungen in Österreich das Erbe?

Wer zu Lebzeiten Vermögen verschenkt, kann die spätere Pflichtteilsberechnung massiv beeinflussen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat nun präzisiert, was passiert, wenn eine Schenkung später einvernehmlich rückgängig gemacht wird: Muss diese Zuwendung dennoch dem Nachlass „hinzugerechnet“ werden – oder gilt sie pflichtteilsrechtlich als nie erfolgt? Dieser Beitrag erklärt die Grundbegriffe, ordnet die aktuelle Rechtsprechung ein und beantwortet typische Praxisfragen klar und verständlich.

Pflichtteil, Hinzurechnung und Anrechnung: die Grundlagen klar erklärt

Der Pflichtteil schützt nahe Angehörige davor, im Erbfall leer auszugehen. Er beträgt grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils – unabhängig davon, was im Testament steht. Damit der Pflichtteil nicht durch großzügige Lebzeitgeschenke „ausgehöhlt“ wird, kennt das österreichische Erbrecht die Hinzurechnung: Wertmäßig werden Schenkungen des Erblassers dem Nachlass zugerechnet, so als wäre das Verschenkte beim Tod noch vorhanden. Auf dieser – künstlich vergrößerten – Basis wird der Pflichtteil berechnet. Anschließend wirkt die Anrechnung beim Beschenkten: Wer zu Lebzeiten schon erhalten hat, muss sich das auf den eigenen Pflichtteil gegenrechnen lassen.

Zur Orientierung: Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte werden für die Pflichtteilsberechnung grundsätzlich immer berücksichtigt; Zuwendungen an Nicht-Pflichtteilsberechtigte sind – vereinfacht – nur in einem zeitlich engeren Rahmen relevant. Dieser Grundmechanismus dient einem Ziel: gerechte Pflichtteilsquoten trotz Vermögensverschiebungen zu Lebzeiten.

Pflichtteil: So wird gerechnet

1
Nachlass ermitteln

Aktiver Nachlass minus Schulden zum Todeszeitpunkt.

2
Hinzurechnung

Lebzeitige Zuwendungen werden rechnerisch hinzugerechnet, als wären sie noch vorhanden.

3
Pflichtteilsquote

Pflichtteil = ½ des gesetzlichen Erbteils (z. B. Kind).

4
Anrechnung

Was ein Pflichtteilsberechtigter zu Lebzeiten erhalten hat, wird auf seinen Pflichtteil gegengerechnet.

Merksatz: Hinzurechnung vergrößert nur die Rechengrundlage; ausgezahlt wird am Ende nur der Pflichtteil abzüglich bereits Erhaltenem.

Die Leitlinie des OGH: Einvernehmliche Rückgängigmachung neutralisiert die Schenkung

Die bislang offene Frage: Was gilt, wenn eine Schenkung später im Einvernehmen rückabgewickelt wird und der Vermögensgegenstand tatsächlich zum Erblasser zurückkehrt? Der OGH beantwortet das in seiner Entscheidung 2 Ob 51/25a vom 26. Juni 2025 eindeutig: Kommt der Vermögenswert vor dem Tod an den Schenker zurück, besteht kein Anlass für eine Hinzurechnung. Der Nachlass ist durch die – faktisch aufgehobene – Schenkung nicht geschmälert, eine doppelte Berücksichtigung derselben Werte ist ausgeschlossen. Die Rückübertragung stellt hier keine „neue“ Schenkung dar, sondern neutralisiert die frühere Zuwendung.

Praxisrelevanter Zusatz des Gerichts: Auch unentgeltliche Erbausschlagungen können zwar grundsätzlich Schenkungen sein – pflichtteilsrechtlich ändert das aber am Ergebnis nichts, wenn der Vermögenswert wieder beim Erblasser landet. Dann wird so gerechnet, als hätte es die frühere Schenkung nie gegeben.

Was bedeutet das für typische Situationen?

In der Regel nein, sofern die Rückübertragung im Einvernehmen erfolgte und der Vermögensgegenstand vor dem Todesfall des Schenkers tatsächlich wieder in dessen Eigentum stand. Dann entfällt die Hinzurechnung – und damit auch eine Anrechnung beim vormals Beschenkten.

Nach dem OGH nicht – sie hebt die ursprüngliche Zuwendung pflichtteilsrechtlich auf. Eine Doppelberücksichtigung (erst Hinzurechnung wegen der ersten Schenkung, dann nochmals wegen der Rückgabe) ist unzulässig.

Nein. Entscheidend ist, dass der Vermögenswert wirklich zurückkehrt. Ohne tatsächliche Rückübertragung bleibt die ursprüngliche Schenkung hinzurechnungs- und ggf. anrechnungspflichtig.

Dann kann der verkürzte Pflichtteilsberechtigte den Geschenknehmer in Anspruch nehmen (sog. Geschenknehmerhaftung). Mehrere Geschenknehmer haften anteilig nach dem Wert ihrer Geschenke; gesichert ist die Haftung primär mit der geschenkten Sache.

Konkrete Orientierung für die Praxis

Wenn Sie eine frühere Schenkung zurückdrehen möchten – etwa weil sich Lebensumstände geändert haben –, achten Sie auf klare Dokumentation und rechtliche Sauberkeit:

Vereinbaren Sie schriftlich, dass die Schenkung aufgehoben und der Gegenstand rückübertragen wird. Entscheidend ist die tatsächliche Rückübertragung (z. B. Grundbuchseintragung bei Liegenschaften). Das schützt im Erbfall vor unnötiger Hinzurechnung.

Die Rückübertragung sollte rechtzeitig vor dem Todesfall erfolgt sein. Nur dann gilt pflichtteilsrechtlich die „Neutralisierung“.

Planen Sie Schenkungen stets mit den Pflichtteilsquoten im Hinterkopf. Als Faustregel gilt: Der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wer Lebzeitgeschenke verteilt, sollte die Hinzurechnungssystematik kennen – und bei Bedarf vertragliche Anrechnungsabreden treffen.

Für spätere Auseinandersetzungen ist es hilfreich, die Motivation und den Ablauf der Rückabwicklung festzuhalten (z. B. Protokoll, Notariatsakt, Übergabe-/Übernahmeschein).

Checkliste: Rückabwicklung einer Schenkung

Einvernehmliche Vereinbarung

Schriftlich festhalten, dass die Schenkung aufgehoben und der Gegenstand rückübertragen wird.

Tatsächliche Übertragung

Bei Liegenschaften Grundbuchseintragung; bei Konten/Wertpapieren Umbuchung; bei beweglichen Sachen Übergabe dokumentieren.

Zeitpunkt beachten

Rückübertragung vor dem Todesfall des Schenkers abschließen, damit keine Hinzurechnung erfolgt.

Beweise & Nachweise

Notariatsakt/Vertrag, Übergabeprotokolle, Zahlungsflüsse und Grundbuchsauszüge geordnet ablegen.

Pflichtteilswirkung prüfen

Anrechnungsabreden dokumentieren; Auswirkungen auf Pflichtteilsberechtigte mitbedenken.

Steuern & Gebühren

Grunderwerbsteuer, Eintragungsgebühr oder Gebührenbefreiungen ggf. mit dem Steuerberater klären.

Praxis-Tipp: Klare, lückenlose Dokumentation verhindert Streit und macht die „Neutralisierung“ der Schenkung im Pflichtteilsrecht belegbar.

Beispiel zur Veranschaulichung (stark vereinfacht)

A verschenkt 2010 ein Haus an Kind B. 2015 einigen sich beide, die Schenkung aufzuheben; B überträgt das Eigentum im Grundbuch zurück an A. A verstirbt 2025. Bei der Pflichtteilsberechnung wird das Haus nicht hinzugerechnet – so als wäre es nie verschenkt worden. Der Nachlass ist insoweit unverändert, der Pflichtteil bemisst sich ohne diese frühere Zuwendung.

Fazit

Einvernehmlich rückgängig gemachte Schenkungen werden pflichtteilsrechtlich nicht hinzugerechnet, wenn der Vermögensgegenstand vor dem Tod zum Erblasser zurückkehrt. Wer rechtzeitig und sauber rückabwickelt, schafft Rechtssicherheit und vermeidet Streit und rechtliche Konflikte.

Kauf einer Pension oder eines Gasthauses in Österreich: So übernehmen Sie Immobilie, Betrieb und Pachtvertrag rechtssicher

Zwei Rechtsanwälte hantieren mit Verträgen und Kugelschreibern
Zwei Rechtsanwälte hantieren mit Verträgen und Kugelschreibern

Kauf einer Pension oder eines Gasthauses in Österreich: So übernehmen Sie Immobilie, Betrieb und Pachtvertrag rechtssicher

Eine Pension kaufen. Ein Gasthaus übernehmen. Die Türen nicht neu aufsperren müssen, sondern einfach weitermachen – mit Stammgästen, Buchungen und Personal. Genau das klingt für viele Käufer nach der idealen Gelegenheit. In der Praxis bedeutet dieser Schritt allerdings nicht bloß „Immobilie kaufen“. Wer eine Liegenschaft samt laufendem Gastronomiebetrieb übernimmt, kauft ein ganzes System: Gebäude, Küche, Marke, Gäste, Mitarbeiter:innen, Genehmigungen – und häufig auch einen bestehenden Pachtvertrag. In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen Schritt für Schritt, worauf Käufer achten müssen, wie eine rechtliche und technische Due Diligence abläuft, warum die Pachtübernahme heikel ist und weshalb die Zusammenarbeit mit Sachverständigen für Gasthaus- und Pensionskäufe kein Luxus, sondern Pflicht ist.

1) Worum geht es beim Kauf einer Pension oder eines Gasthauses wirklich?

Wer eine Pension oder ein Gasthaus in Österreich kauft, will meistens zwei Dinge gleichzeitig: erstens das Gebäude (Grundstück, Zimmer, Gasträume, Technik) und zweitens den laufenden Betrieb (Marke, Stammgäste, Ausstattung, Buchungen, Ruf). Im Idealfall soll nach der Übergabe alles ohne Unterbrechung weiterlaufen: Gäste frühstücken wie gewohnt, das Stammtischpublikum sitzt am gleichen Tisch, und bestehende Buchungen bleiben aufrecht.

Rechtlich sind das aber verschiedene Ebenen, die sauber verknüpft werden müssen. Es gibt typischerweise einen Kaufvertrag über die Liegenschaft, also über Grundstück und Gebäude. Zusätzlich gibt es eine Übertragung des laufenden Gastronomiebetriebs selbst (also Unternehmenswerte wie Inventar, Warenlager, Telefonnummer, Website, Social-Media-Auftritt, Gästestamm).

Und dann ist in vielen Fällen ein Pachtvertrag im Spiel: Häufig gehört die Immobilie einer Person, betrieben wird das Gasthaus aber von einer anderen Person, die das Objekt gepachtet hat. In Österreich ist der Pachtvertrag ein sogenannter Bestandvertrag nach §§ 1090 ff ABGB. Anders als bei der Miete geht es bei der Pacht nicht nur darum, Räume zu nützen, sondern auch darum, den Betrieb wirtschaftlich weiterzuführen und die Erträge daraus („Fruchtziehung“) zu behalten.

Für Käufer bedeutet das: Man kann nicht einfach „das Haus kaufen“ und davon ausgehen, damit automatisch rechtmäßig den Gastgewerbebetrieb weiterführen zu dürfen. Das Gastgewerbe ist in Österreich gewerberechtlich reglementiert. Für das Betreiben eines Gasthauses oder einer Pension braucht man eine entsprechende Gastgewerbeberechtigung, die bei der zuständigen Behörde an- bzw. abzumelden ist. Diese Berechtigung ist an persönliche Voraussetzungen (z.B. Befähigungsnachweis, Zuverlässigkeit) und sachliche Voraussetzungen (der konkrete Standort muss gewerberechtlich geeignet und als Betriebsanlage genehmigt sein) geknüpft.

Kurz gesagt: Der Traum „Pension kaufen in Österreich“ oder „Gasthaus kaufen in Österreich“ ist realistisch – aber Sie kaufen kein simples Zinshaus, sondern ein reguliertes Gewerbe samt komplexer Verträge und öffentlich-rechtlicher Auflagen.

2) Die Due Diligence: Prüfen, bevor Sie unterschreiben

Bevor Sie sich endgültig binden, sollte eine saubere Due Diligence erfolgen. Darunter versteht man die strukturierte Überprüfung aller rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Risiken. Wer hier nachlässig ist, kauft unter Umständen nicht ein romantisches Wirtshaus, sondern ein Sanierungsprojekt mit Personalhaftungen und Behördenauflagen.

Rechtliche Due Diligence

Die rechtliche Prüfung beginnt beim Grundbuch: Wir überprüfen, wem die Liegenschaft tatsächlich gehört, ob Pfandrechte (z.B. Bankhypotheken) eingetragen sind, ob Dienstbarkeiten bestehen (Zufahrtsrechte, Leitungsrechte, Belastungs- und Veräußerungsverbote). Diese Eintragungen sind kaufpreisrelevant und können die Finanzierungsfähigkeit beeinflussen.

Danach ist zu klären, ob die Nutzung überhaupt baurechtlich zulässig ist. Gerade bei gewachsenen Gasthäusern und Pensionen sind Umbauten – zusätzliche Gästezimmer im Dachgeschoß, ein Wintergarten für den Frühschoppen, ein zweiter Ausgang als Fluchtweg – oft historisch gewachsen und nicht immer vollständig bewilligt. Fehlende Baubewilligungen oder abweichende Widmungen können später teuer werden, wenn die Behörde nachkontrolliert.

Besonders wichtig in der Gastronomie ist die Betriebsanlage. In Österreich dürfen gewerbliche Betriebsanlagen grundsätzlich nur mit Genehmigung der Behörde errichtet und betrieben werden, wenn sie aufgrund von Maschinen, Betriebsweise oder Ausstattung geeignet sind, etwa durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub oder Erschütterungen Nachbarn zu belästigen oder die Sicherheit zu beeinträchtigen (§ 74 Abs 2 GewO 1994).  Das trifft praktisch jedes Restaurant mit Lüftungsanlage, jede Küche mit Abluft, jede Schankanlage und jede Nächtigungsstätte, in der Gäste ein- und ausgehen. Die Betriebsanlagengenehmigung enthält oft Auflagen zu Lärm-, Geruchs- und Brandschutz, Lüftung und Hygiene – also genau jene Punkte, wegen derer Behörde und Nachbarn heikel werden.

Für Käufer heißt das: Wir beschaffen sämtliche behördlichen Bescheide, Pläne, Lüftungs- und Brandschutznachweise und checken, ob diese Auflagen eingehalten werden. Wer den Betrieb übernimmt, übernimmt üblicherweise auch die Pflicht, diese Auflagen weiter einzuhalten. Wenn die Küche zum Beispiel schon jetzt knapp an der Lärmgrenze ist oder die Fettabscheideranlage nicht mehr dem Stand der Technik entspricht, kann die Behörde rasch Sanierungen verlangen – auf Kosten des neuen Betreibers.

Ein weiterer rechtlicher Schwerpunkt ist der Pachtvertrag. Bei einer Pacht geht es – anders als bei einer reinen Miete – gerade darum, dass der laufende, funktionsfähige Betrieb (inklusive Kundenstock und Ruf) weitergeführt werden darf. Gleichzeitig ist die Pacht ein Dauerschuldverhältnis, bei dem vieles frei vereinbart werden kann. Es gibt vergleichsweise wenige zwingende gesetzliche Regeln, das heißt: Was im Pachtvertrag steht, gilt. Was nicht geregelt ist, lässt sich oft schwer „nachschieben“.  Deshalb prüfen wir Laufzeit und Kündigungsfristen, Wertsicherung (Indexierung), Instandhaltungspflichten (wer zahlt welche Reparaturen?), Konkurrenzschutz (darf der Verpächter nebenan ein zweites Lokal eröffnen?), Investitionsersatz (bekommen Sie für Ihre Renovierung am Ende etwas zurück?) und Betriebspflichten (muss das Gasthaus durchgehend offenhalten?). Diese Fragen bestimmen ganz direkt, ob Ihr Geschäftsmodell betriebswirtschaftlich überhaupt aufgeht.

Schließlich kommt das Thema Personal. Wird ein Betrieb oder ein klar abgegrenzter Betriebsteil in einem im Wesentlichen gleichbleibenden Zustand mit Räumen, Ausstattung, Kundenstock und Organisation von neuen Betreiber weitergeführt, liegt nach österreichischem Recht in der Regel ein Betriebsübergang vor (§ 3 AVRAG). Bei einem solchen Betriebsübergang gehen die bestehenden Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Erwerber über – mit allen Rechten und Pflichten, insbesondere Entgeltansprüchen, Urlaubsständen und kollektivvertraglichen Einstufungen.

Das bedeutet für Käufer: Sie „erben“ das Team. Das ist ein großer Vorteil (eingespieltes Personal, bekannte Gesichter für Stammgäste), aber auch ein rechtliches Risiko, weil offene Überstunden, falsche Einstufungen oder ungeklärte Dienstzeiten plötzlich Ihr Thema werden. Arbeitnehmer:innen sind im Zuge eines Betriebsübergangs zudem zu informieren; in gewissen Fällen haben Arbeitnehmer:innen bei wesentlicher Verschlechterung bestimmter Arbeitsbedingungen ein Sonderkündigungsrecht.

All diese Punkte – Grundbuch, Baurecht, Betriebsanlagengenehmigung, Pachtvertrag, Personal – sind Teil der rechtlichen Due Diligence, die wir bei Brandauer Rechtsanwälte für Käufer einer Pension oder eines Gasthauses durchführen.

Technische Due Diligence

Parallel zur rechtlichen Prüfung braucht es eine technische Due Diligence. Hier verlassen wir die rein juristische Ebene und holen Sachverständige ins Boot. Ein bautechnischer Sachverständiger untersucht die Substanz: Dach, Fassade, Feuchtigkeit, Schallschutz, Brandabschnitte, Fluchtwege. Das ist bei einem Beherbergungsbetrieb besonders sensibel, weil Brandschutzauflagen in Häusern mit Gästezimmern streng sind und Fluchtwege klar definiert sein müssen. Ein Haustechnik- und Lüftungssachverständiger analysiert Heizung, Lüftung, Klimaanlagen, Kühlräume, Fettabscheider und Küche. In der Gastronomie sind Lüftung, Abluft, Geruchs- und Lärmemissionen regelmäßig Streitpunkte mit Behörden und Nachbarn – wer hier Sanierungsbedarf übersieht, steht nach der Übernahme schnell vor einer kostspieligen Auflage.

Der Sinn dieser technischen Prüfung ist nicht akademisch. Er ist finanziell. Wenn klar ist, dass in den nächsten zwölf Monaten die Lüftungsanlage erneuert werden muss oder dass das Dach undicht ist, dann gehört dieser Umstand in die Kaufpreisverhandlung – entweder als Preisabschlag oder als ausdrückliche Garantie des Verkäufers. Genau hier spielen Jurist:innen und Sachverständige zusammen: Die Sachverständigen beziffern den Sanierungsbedarf, wir verankern diese Erkenntnisse rechtlich im Vertrag.

3) Das Vertragswerk

Nach der Due Diligence geht es ans Verhandeln. Ziel ist ein Vertragswerk, das Sie als Käufer absichert und nicht den Verkäufer. In der Praxis werden mehrere Verträge miteinander kombiniert.

Zunächst regeln wir den eigentlichen Immobilienkaufvertrag. Darin stehen Kaufpreis, Übergabetermin, Lastenfreistellung (also die Frage, ob bestehende Hypotheken gelöscht werden), Gewährleistungsregelungen und Zusicherungen zur baurechtlichen Zulässigkeit der derzeitigen Nutzung. Bei einer Pension oder einem Gasthaus reicht es nicht zu sagen „das Gebäude wird verkauft wie besichtigt“. Wir brauchen klare Zusagen, dass die bisherige Nutzung als Gastgewerbebetrieb genehmigt war, dass keine behördlichen Verfahren wegen unzulässigen Lärms, Brandschutzmängeln oder fehlender Fluchtwege anhängig sind und dass sämtliche relevanten Betriebsanlagen-Bescheide samt Auflagen vollständig übergeben werden. Diese Bescheide sind für den Weiterbetrieb entscheidend, weil sie genau festlegen, unter welchen technischen Bedingungen der Betrieb geführt werden darf.

Dann geht es um die eigentliche Betriebsübertragung: Wer übernimmt die Küche, die Schankanlage, die Zimmermöblierung, den Weinkeller, die bestehende Domain und die Social-Media-Kanäle? Wie werden bestehende Buchungen (z.B. Reservierungen für Reisegruppen im Winter) behandelt? Darf der neue Betreiber unter dem bisherigen Namen auftreten oder ist dieser Name markenrechtlich geschützt? Für viele Pensionskäufe ist genau dieser „Goodwill“ – der Ruf, die Stammgäste, die Wiedererkennbarkeit – der wahre Wert. Wenn die Domain, die Telefonnummer und die Online-Bewertungen nicht mitübergehen, kaufen Sie im schlimmsten Fall nur das leere Gebäude.

Besonders sensibel ist das Thema Pachtvertrag bzw. Pachtübernahme. Wenn Sie nicht die Immobilie kaufen, sondern „nur“ den laufenden Gastronomiebetrieb pachten, dann steht und fällt die Wirtschaftlichkeit mit Ihrem Pachtvertrag. In Österreich ist die Pacht der rechtliche Rahmen, in dem Sie die wirtschaftliche Nutzung eines bestehenden Betriebs übernehmen und daraus Erträge ziehen dürfen. Weil der Gesetzgeber hier vergleichsweise wenige zwingende Vorgaben macht, ist der Spielraum enorm: Laufzeit, Kündigungsfristen, Wertsicherung, Instandhaltung, Investitionsersatz und Konkurrenzschutz sind weitgehend Verhandlungssache. Ein ungünstiger Pachtvertrag kann bedeuten, dass Sie zwar alles sanieren (Zimmer, Küche, Terrasse), aber am Ende ohne Anspruch auf Rückersatz dastehen oder nach kurzer Zeit wieder hinausmüssen. Ein guter, käuferfreundlicher Pachtvertrag hingegen gibt Ihnen planbare Laufzeit (inklusive klarer Verlängerungsoptionen), regelt fair, wer für größere bauliche Investitionen zahlt, schützt Sie vor einer „zweiten“ Konkurrenz-Gastronomie durch denselben Verpächter am Nachbargrundstück und stellt sicher, dass Indexierungen (Wertsicherung) kalkulierbar bleiben.

Und schließlich muss auch das Personal vertraglich mitgedacht werden. Wenn ein Betriebsübergang vorliegt, gehen die Arbeitsverhältnisse mit allen bisherigen Rechten und Pflichten automatisch auf Sie über. Das muss schriftlich abgebildet sein: Welche offenen Urlaubsansprüche bestehen? Welche Überstunden sind noch nicht abgegolten? Gibt es Sonderzahlungen, die demnächst fällig sind? Müssen bestimmte Mitarbeiter:innen zwingend weiterbeschäftigt werden, weil sie etwa die gewerberechtliche Befähigung abdecken? Und: Wurden die Mitarbeiter:innen korrekt und rechtzeitig über den Übergang informiert? Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) sieht Informationspflichten des bisherigen und des neuen Arbeitgebers vor und gibt Arbeitnehmer:innen unter Umständen ein Sonderkündigungsrecht, wenn sich ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen verschlechtern.

Mit anderen Worten: Das Vertragswerk muss Immobilienrecht, Pachtrecht, gewerberechtliche Rahmenbedingungen (Gastgewerbeberechtigung, Betriebsanlagengenehmigung) und Arbeitsrecht gleichzeitig abbilden. Das ist kein Standard-Kaufvertrag aus dem Internet.

4) Zusammenarbeit mit Sachverständigen: Kein „Nice to have“, sondern Ihr Verhandlungsvorteil

Für den Kauf einer Wohnung genügt oft ein kurzer Blick durch den Baumeister. Für den Kauf einer Pension oder eines Gasthauses ist das zu wenig. Hier koordiniert Brandauer Rechtsanwälte die Zusammenarbeit zwischen Käufer, technischen Sachverständigen, Brandschutzexperten, Lüftungs- und Haustechnikern sowie – wo nötig – auch steuerlicher Beratung.

Die technische Seite liefert Fakten über den Zustand der Liegenschaft und der Betriebsanlage: etwa ob die Abluftanlage der Küche die aktuellen Lärmschutz- und Geruchsvorgaben erfüllt, ob die Fluchtwege brandschutztechnisch sauber gelöst sind, ob die Heizung und Kühltechnik wirtschaftlich weiterbetrieben werden kann oder ob teure Sofortinvestitionen drohen.

Die rechtliche Seite übersetzt diese Tatsachen dann in Vertragsklauseln: Preisnachlass, Sanierungszusage des Verkäufers, Aufteilung künftiger Investitionskosten oder etwa Rücktrittsrechte, falls bestimmte Genehmigungen wider Erwarten doch nicht bestehen.

Gerade weil Gastronomiebetriebe streng überprüft werden – man denke an Hygieneauflagen, Fettabscheider, Lärmschutz, Geruch, Brandschutz –, ist es für Käufer entscheidend, diese Punkte vorab zu kennen, statt danach von der Behörde überrascht zu werden.

5) Typische Fragen aus der Praxis (und klare Antworten)

Die Gastgewerbeberechtigung ist grundsätzlich personengebunden. Wer ein Gastgewerbe betreiben will, muss die Tätigkeit bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft oder Magistrat) anmelden und persönliche und sachliche Voraussetzungen erfüllen, etwa Zuverlässigkeit, Befähigungsnachweis und einen geeigneten Standort.

Sie „springt“ nicht automatisch auf Sie über, nur weil Sie das Gebäude kaufen. Was allerdings regelmäßig übernommen wird, ist die Betriebsanlage selbst – samt aller behördlichen Genehmigungen und Auflagen. Diese Genehmigungen sind für Sie Gold wert, weil sie definieren, unter welchen Bedingungen Küche, Lüftung, Schank und Gästezimmer betrieben werden dürfen.

Wenn ein Betriebsübergang vorliegt, gehen die Arbeitsverhältnisse automatisch auf Sie als neue Betreiber:in über. Die bisherigen Dienstverhältnisse laufen also weiter, inklusive Entgelt, Urlaub und kollektivvertraglicher Einstufung.

Es ist nicht möglich, das Team „einfach neu anzustellen“ zu schlechteren Konditionen. Werden Arbeitsbedingungen wesentlich verschlechtert, haben Arbeitnehmer unter Umständen ein Sonderkündigungsrecht. Genau deshalb gehört das Thema Personal zwingend ins Vertragswerk.

Nur, wenn der Verpächter zustimmt – oder wenn eine Vertragsübernahme ausdrücklich vereinbart wird. Und selbst dann sollten die Konditionen angepasst werden. Die Pacht in Österreich ist flexibel, aber gerade diese Flexibilität ist ein Risiko: Ohne klare Vereinbarungen zu Laufzeit, Wertsicherung, Instandhaltung, Investitionsersatz und Konkurrenzschutz kann das gesamte Geschäftsmodell ins Wanken geraten.

In der Praxis verhandeln wir daher regelmäßig einen „käuferfreundlichen“ Pachtvertrag, der Investitionen schützt und Planungssicherheit schafft.

Dann übernehmen Sie ein Problem. Gastronomiebetriebe unterliegen in Österreich strengen betriebstechnischen und gewerberechtlichen Auflagen – insbesondere hinsichtlich Lärm, Geruch, Brandschutz und Hygiene.

Stellt sich nach der Übergabe heraus, dass die Anlage nicht (mehr) dem genehmigten Zustand entspricht, kann die Behörde Sanierungen oder Auflagen vorschreiben. Diese Kosten sollten entweder vorab im Kaufpreis berücksichtigt oder eindeutig dem Verkäufer zugeordnet werden. Hier zeigt sich der Wert einer gründlichen Due Diligence.

Fazit

Der Kauf einer Pension oder eines Gasthauses – also der Erwerb einer Liegenschaft samt laufendem Gastronomiebetrieb und oft samt bestehendem Pachtvertrag – ist rechtlich und technisch anspruchsvoller als ein klassischer Immobilienkauf. Sie kaufen nicht nur vier Wände, sondern ein reguliertes Gastgewerbe mit gewerberechtlichen Auflagen, Betriebsanlagengenehmigungen, behördlichen Bescheiden, Personalrechten und oft jahrzehntelanger Betriebsgeschichte.

Genau deshalb ist eine strukturierte rechtliche und technische Due Diligence so wichtig. Wir bei Brandauer Rechtsanwälte prüfen Grundbuch, Baurecht, Widmung, Pachtvertrag, Betriebsanlagengenehmigungen, Personalfragen nach § 3 AVRAG und behördliche Auflagen. Wir koordinieren technische Sachverständige für Küche, Lüftung, Brandschutz und Haustechnik, damit Investitionsrisiken vor der Unterschrift klar sind. Wir erstellen ein käuferfreundliches Vertragswerk, das die Immobilie, den laufenden Gastronomiebetrieb und die Pachtübernahme (falls vorhanden) sauber verzahnt und Sie bestmöglich absichert.

Bauträger insolvent, Baustelle ein Desaster: So schützen Sie sich als Wohnungskäufer in Österreich

Taschenrechner mit einem kleinen Haus und Geldscheinen im Hintergrund
Taschenrechner mit einem kleinen Haus und Geldscheinen im Hintergrund

Bauträger insolvent, Baustelle ein Desaster: So schützen Sie sich als Wohnungskäufer in Österreich

Sie haben eine Eigentumswohnung vom Bauträger gekauft. Dann geht der Generalunternehmer in Konkurs. Die Baustelle steht still, oder schlimmer: Ein Sachverständiger stellt massive Baumängel fest. Statt kleiner Nachbesserungen braucht es faktisch Rückbau und Neubau. Parallel beginnt der Bauträger zu drängen, die Bank droht, und plötzlich hören Sie Sätze wie: „Zahlen Sie jetzt den Restkaufpreis, sonst steht das ganze Projekt vor der Insolvenz.“ Genau hier entscheidet sich, ob Sie hunderte Tausend Euro verlieren – oder ob Sie Ihre rechtliche und wirtschaftliche Position absichern. In diesem Beitrag erklären wir, wie Käufer in einer solchen Extremsituation handeln sollten, welche Schutzschienen das Bauträgervertragsgesetz (BTVG) bietet und wie wir als Brandauer Rechtsanwälte diese Schutzmechanismen durchsetzen.

1) Das typische Krisenszenario beim Wohnungskauf vom Bauträger

Das Muster ist immer ähnlich: Der Käufer schließt einen Bauträgervertrag ab, die Bauarbeiten laufen über einen Generalunternehmer (GU), und dann fällt der GU aus – meist durch Insolvenz. Auf der Baustelle treten gravierende Mängel zutage: fehlerhafte Statik, mangelhafte Abdichtungen, Schadstoffe, falsch ausgeführte Leitungen. Es geht nicht um Lackschäden oder schiefe Silikonfugen, sondern um Bausubstanz, Tragverhalten, Wasserabdichtung, Brandschutz.

In solchen Fällen geht es oft nicht mehr um „Ausbessern“, sondern um großflächigen Rückbau und technisch sauberen Neuaufbau. Das bedeutet Sanierungskosten, die leicht in den sechsstelligen oder sogar siebenstelligen Bereich gehen. Parallel fehlt manchmal sogar die rechtskräftige Baubewilligung für das, was real errichtet wurde – ein besonders heikler Punkt, weil ohne genehmigte Planung nichts abgenommen werden darf.

Genau in diesem Moment kommt der wirtschaftliche Druck: Der Bauträger droht damit, selbst insolvent zu werden, wenn die Käufer jetzt nicht die nächste Rate bzw. den offenen Restkaufpreis zahlen. Häufig meldet sich dazu auch die finanzierende Bank des Bauträgers und fordert (direkt oder indirekt) die Zahlung – unter dem Motto „sonst fällt das ganze Projekt, und das wollen Sie doch nicht, oder?“.

Das ist psychologisch geschickt, aber juristisch oft unhaltbar. Denn ob Sie zahlen müssen, entscheidet nicht die Bank. Es entscheidet das Gesetz – genauer gesagt das Bauträgervertragsgesetz. Dieses Gesetz ist ausdrücklich dazu da, Käufer vor genau diesen Situationen zu schützen: vor Pfusch, vor Insolvenzen im Baugefüge und vor zu früh geforderten Zahlungen.

⚖️

Ihre 5 wichtigsten Schritte jetzt

So sichern Sie Ihre Position, wenn der Generalunternehmer insolvent ist und der Bauträger Druck macht.

1

Keine weitere Zahlung leisten

Verlangen Sie einen Nachweis, dass die geforderte Rate nach BTVG wirklich fällig ist (Baufortschritt, Baubewilligung, Ratenplan). Ohne Fälligkeit keine Zahlung.

2

Alles schriftlich sichern

Drohungen („zahlen oder Insolvenz“), Mängellisten, Fotos der Baustelle und E-Mails der Bank archivieren. Das wird später Ihr Beweis.

3

Sachverständigen beiziehen

Ein unabhängiger Bausachverständiger dokumentiert die Baumängel objektiv – bevor „kosmetisch“ nachgebessert wird.

4

Kosten quantifizieren

Lassen Sie den Sanierungs- bzw. Rückbau- und Neubau-Aufwand beziffern. Beispiel: 900.000 € Mängelbehebungskosten.

5

Aufrechnung erklären

Diese Gegenforderung (z. B. 900.000 €) wird dem Restkaufpreis (z. B. 500.000 €) entgegengestellt. Ergebnis: Zahlungsstopp mit rechtlicher Deckung.

2) Wer haftet eigentlich, wenn der Generalunternehmer pleite ist?

Viele Käufer glauben zunächst, sie hätten „Pech gehabt“, weil ja der Generalunternehmer das Haus gebaut hat und genau dieser GU jetzt insolvent ist. Das ist ein gefährlicher Irrtum.
Ihr Vertragspartner ist nicht der Generalunternehmer. Ihr Vertragspartner ist der Bauträger.

Juristisch schuldet Ihnen der Bauträger die mangelfreie Herstellung des Objekts, die rechtzeitige Fertigstellung und die ordnungsgemäße Übergabe. Dass der Bauträger sich eines GU bedient hat, ist sein Organisationsrisiko – nicht Ihres. Das BTVG ordnet klar an, dass der Erwerber (also Sie als Käufer:in) seine Ansprüche gegenüber dem Bauträger geltend machen kann; der Bauträger kann sich nicht einfach „freizeichnen“, indem er sagt: „Das war der GU, der ist leider pleite, tut uns leid.“

Praktisch heißt das: Auch wenn der Generalunternehmer insolvent ist, bleibt der Bauträger verpflichtet, ein technisch einwandfreies, genehmigtes und benutzbares Objekt zu liefern. Der Bauträger bleibt auch Ihr Ansprechpartner für Mängelbehebung, für Termine, für Vollendung der Bauarbeiten. Und er bleibt die Person, die am Ende das Geld von Ihnen will – also bleibt er in der Haftung.

3) Baumängel in großem Stil: Warum ein Sachverständiger jetzt Pflicht ist

Wenn die Mängel so gravierend sind, dass ein Teilrückbau oder sogar ein Neuaufbau nötig wird, muss das sauber, neutral und nachvollziehbar dokumentiert werden. In dieser Phase ziehen wir als Kanzlei systematisch einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Bausachverständigen bei. Dieser Sachverständige hält den Ist-Zustand fest, ordnet die Mängel technisch ein und legt die voraussichtlichen Sanierungskosten offen.

Diese Dokumentation ist das Fundament für alles Weitere. Erstens sichert sie Beweise, bevor an der Baustelle „kosmetisch“ herumgedoktert wird. Zweitens schafft sie eine klare Zahl für den Sanierungsaufwand – und diese Zahl ist Ihr wirtschaftlicher Hebel. Wenn das Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass für Rückbau und Neuherstellung 900.000 € erforderlich sind, dann ist das nicht nur ein „Gefühl“. Es ist ein bezifferter Schadenersatz- bzw. Mängelbehebungsaufwand, den Sie dem Bauträger entgegenhalten können. Genau diese Summe verwenden wir später zur Aufrechnung gegen den vom Bauträger geforderten Restkaufpreis.

Das ist der Moment, in dem Sie nicht mehr die Person sind, die „bitte um Fertigstellung“ ersucht. Sie sind plötzlich Gläubiger mit einer massiven Gegenforderung.

4) Darf man den Restkaufpreis einfach zurückhalten?

Sehr häufig lautet die Antwort: Ja, und zwar vollkommen rechtmäßig.

Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Käufer bei wesentlichen Mängeln die Zahlung verweigern. Dabei geht es nicht nur um den auf die Mängelbehebung entfallenden Teilbetrag. Der Käufer darf grundsätzlich sogar den gesamten noch offenen Kaufpreis bzw. Werklohn zurückbehalten, solange die Ausübung dieses Rechts nicht bloß schikanös ist. Ob eine Schikane vorliegt, beurteilt sich unter anderem danach, wie der offene Restkaufpreis im Verhältnis zu den (behaupteten)

Mängelbehebungskosten steht und wie wichtig die Mängelbehebung für den Käufer ist. Liegt also der offene Restkaufpreis bei 500.000 € und der dokumentierte Mängelbehebungsaufwand bei 900.000 €, ist klar, dass Sie nicht „überreagieren“, wenn Sie die Zahlung stoppen – Sie sichern sich schlicht gegen weiteren Schaden ab.

Juristisch nennt man das Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht: Ihre Gegenforderung (zum Beispiel die 900.000 € Sanierungskosten) trifft auf die Forderung des Bauträgers (zum Beispiel die restlichen 500.000 € Kaufpreis). Das Ergebnis kann sein, dass der Bauträger am Ende gar nichts mehr bekommt, obwohl er gerade dringend auf Ihr Geld drängt.

Das ist ein extrem starkes Druckmittel, und genau deshalb versuchen Bauträger und Banken in der Praxis oft, Sie emotional oder moralisch zur Zahlung zu bewegen. Sie argumentieren dann mit drohender Insolvenz, mit Baustopp, mit „sonst verlieren Sie alles“. Das Ziel ist klar: Sie sollen zahlen, bevor Sie rechtlich begründet verweigern.

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So funktioniert die Aufrechnung (vereinfacht erklärt)

Schritt 1

Mängelkosten beziffern lassen

Der Sachverständige stellt fest: Um die massiven Baumängel zu sanieren, braucht es z. B. 900.000 € (Rückbau + Neubau). Das ist Ihre Gegenforderung gegen den Bauträger.

Schritt 2

Restkaufpreis prüfen

Der Bauträger verlangt vielleicht noch 500.000 €. Diese Forderung ist aber nicht „heilig“, sondern nur eine Behauptung des Bauträgers.

Schritt 3

Aufrechnung erklären

Sie halten schriftlich fest: Die Mängelbehebungskosten (900.000 €) werden mit dem geforderten Restkaufpreis (500.000 €) verrechnet. Ergebnis: kein Geldfluss an den Bauträger.

900.000 €
Gegenforderung
Mängelbehebung
500.000 €
Forderung Bauträger
„Restkaufpreis“
= 0 €
sofort fällig
an den Bauträger

5) Warum die Baubewilligung und der Baufortschritt über Ihre Zahlung entscheiden – nicht die Bank

Das BTVG sieht zwingende Ratenpläne vor. Diese Ratenpläne koppeln die Fälligkeit Ihrer Zahlungen ganz eng an den tatsächlichen Baufortschritt – und zwar an klar messbare Bauabschnitte wie „rechtskräftige Baubewilligung und Baubeginn“, „Fertigstellung Rohbau und Dach“, „Fassade und Fenster fertig“, „Bezugsfertigstellung“, „Fertigstellung der Gesamtanlage“. Erst wenn ein Abschnitt objektiv erreicht ist, darf der entsprechende Prozentsatz des Kaufpreises verlangt werden.

Wesentliche Idee: Sie zahlen nur für Bausubstanz, die tatsächlich steht und die – ganz wichtig – behördlich genehmigt ist. Eine Rate ohne rechtskräftige Baubewilligung einzufordern oder Zahlungen zu verlangen, obwohl der dokumentierte Baufortschritt technisch noch gar nicht vorliegt, ist ein klarer Verstoß gegen das Gesetz.

Das bedeutet wiederum: Die Bank des Bauträgers kann zwar Druck machen, hat aber kein Recht, die gesetzlichen Fälligkeitsvoraussetzungen außer Kraft zu setzen. Wenn die Voraussetzungen für die nächste Rate nicht erfüllt sind (weil z. B. die Baubewilligung noch nicht rechtskräftig war oder weil der Bauabschnitt objektiv nicht fertiggestellt ist), dann ist diese Rate nicht fällig. Punkt. Und was nicht fällig ist, müssen Sie nicht zahlen.

In der Praxis sichern Bauträger diese Baufortschritte häufig, indem ein (ebenfalls neutraler) Sachverständiger bestätigt, dass der jeweilige Bauabschnitt abgeschlossen ist. Erst dann „geht“ die nächste Rate auf. Dieses System existiert genau deshalb: um zu verhindern, dass Käufer:innen dem Projekt Geld hinterherwerfen, das baulich noch gar nicht „in Beton gegossen“ ist.

🚨

Achtung Warnsignale

Alarm

„Zahlen Sie sofort, sonst ist der Bauträger insolvent“

Das ist kein legitimer Fälligkeitsnachweis. Das ist Drucktaktik. Insolvenzgefahr des Bauträgers macht Ihre Zahlung nicht automatisch fällig.

Alarm

Keine (rechtskräftige) Baubewilligung

Die Bank will trotzdem Geld sehen? Ohne saubere Bewilligung ist die Rate nach dem Bauträgervertragsgesetz meist nicht fällig. Hier zahlen Sie sonst ins Risiko.

Alarm

Schwere Baumängel & Rückbau nötig

Wenn ein Sachverständiger Rückbau/Neubau empfiehlt, sprechen wir nicht über „Schönheitsfehler“, sondern über strukturelle Mängel. Ab hier müssen Zahlungen sofort gestoppt und Gegenforderungen aufgebaut werden.

Wenn eines dieser Signale zutrifft:

Keine Zahlung leisten, nichts unterschreiben, sofort rechtliche und bautechnische Unterstützung holen. Genau hier setzen wir als Brandauer Rechtsanwälte an.

6) Vorzeitige Zahlungen, unzulässige Forderungen – und Strafzinsen zugunsten des Käufers

Besonders heikel wird es, wenn der Bauträger – oder die Bank des Bauträgers – Zahlungen verlangt, die nach dem BTVG noch gar nicht fällig sind, und der Käufer (oft unter Druck) dennoch bezahlt. Auch dafür hat der Gesetzgeber eine Antwort vorgesehen, und sie ist scharf:

§ 14 BTVG gibt dem Erwerber das Recht, alle Leistungen zurückzufordern, die entgegen den zwingenden Vorschriften des BTVG erbracht wurden. Und zwar komplett. Der Bauträger muss dieses Geld nicht nur rückerstatten, sondern dafür ab dem jeweiligen Zahlungstag auch Zinsen zahlen – und zwar satte Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Diese „Strafzinsen“ laufen automatisch und sollen verhindern, dass Bauträger sich über rechtswidrig eingeforderte Raten zwischenfinanzieren.

Mit anderen Worten: Wenn Sie zu früh gezahlt haben, ist das kein irreversibler Schaden. Es kann im Gegenteil ein Anspruch auf Rückzahlung samt hohen Zinsen entstehen. Diese Zinsen sind nicht Kulanz, sondern gesetzlich vorgeschrieben.

An dieser Stelle wird es auch für die Geschäftsführung des Bauträgers persönlich unangenehm. Wer als Geschäftsführer bewusst Raten einfordert, obwohl die Voraussetzungen nach dem BTVG nicht vorliegen (fehlende Baubewilligung, fehlender Baufortschritt, falscher Ratenplan), handelt nicht bloß „unvorsichtig“. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das eine persönliche Haftung auslösen – insbesondere dann, wenn Käufer:innen durch dieses Verhalten geschädigt werden, weil sie in eine rechtlich unzulässige Zahlungssituation gedrängt wurden.

Das eröffnet die Möglichkeit, neben der Gesellschaft (die womöglich insolvenzreif ist) auch direkt gegenüber dem handelnden Organ Schadenersatz geltend zu machen. Diese persönliche Haftung kann zusätzlich durch vertraglich vereinbarte Vertragsstrafen (Pönalen) flankiert werden, etwa bei massiver Terminüberschreitung oder klarer Verletzung von Informations- und Offenlegungspflichten.

7) Was heißt das jetzt ganz praktisch für Sie als Käufer?

Wenn Sie eine Wohnung vom Bauträger kaufen und plötzlich erleben, dass der Generalunternehmer insolvent ist, die Baustelle massive Mängel aufweist, ein Rückbau nötig ist oder sogar die Baubewilligung nicht sauber vorliegt, dann heißt das nicht automatisch: „Ich sitze in der Falle.“

Es heißt vielmehr: Sie haben starke Rechte – und Sie sollten sie aktiv nutzen.

🧯

„Ich sitze in der Falle.“ – Nein.

Wenn Generalunternehmer insolvent, Baustelle mangelhaft und Bauträger unter Druck ist, heißt das nicht, dass Sie zahlen müssen. Es heißt, dass Sie jetzt Ihre Schutzrechte nutzen können.

Wichtig Sie sind nicht machtlos.

Das Bauträgervertragsgesetz ist ein Käuferschutzgesetz. Es schützt Sie, nicht den Bauträger. Es erlaubt Zahlungsstopp, Aufrechnung, Rückforderung zu früh gezahlter Beträge und sogar Strafzinsen zu Ihren Gunsten.

1

Zahlungen stoppen

Keine Rate und keinen „Restkaufpreis“ zahlen, solange die gesetzliche Fälligkeit nach BTVG (Baufortschritt, Baubewilligung, Ratenplan) nicht tatsächlich nachgewiesen ist.

2

Beweise sichern

Alle Drohungen („zahlen oder Insolvenz“), E-Mails der Bank, Mängelfotos, Baustellenprotokolle sofort archivieren. Das sind spätere Druckmittel gegen den Bauträger.

3

Sachverständigen holen

Ein unabhängiger Bausachverständiger dokumentiert technische Mängel und beziffert den Sanierungsaufwand (z. B. 900.000 € für Rückbau/Neubau). Diese Summe ist Ihre Gegenforderung.

4

Aufrechnen & Zinsen verlangen

Die bezifferte Mängelbehebung wird mit dem Restkaufpreis verrechnet. Parallel prüfen wir Rückforderungsansprüche samt Strafzinsen (Basiszinssatz + 8 %-Punkte) für bereits ungerechtfertigt verlangte Zahlungen.

Fazit

Der Kauf einer Wohnung vom Bauträger ist für viele Menschen die größte Investition ihres Lebens. Umso dramatischer ist es, wenn plötzlich Baumängel auftauchen, ein Generalunternehmer in Konkurs geht und der Bauträger selbst ins Wanken gerät. Die gute Nachricht ist: Sie stehen in Österreich nicht schutzlos da. Das Bauträgervertragsgesetz gibt Ihnen ein messerscharfes Instrumentarium – vom Zahlungsstopp über die Aufrechnung bis hin zur Rückforderung zu früh geleisteter Zahlungen inklusive hoher Verzugszinsen.

Lassen Sie sich nicht einschüchtern, weder von Drohungen mit „sofortiger Insolvenz“ noch vom Druck einer Bank, die naturgemäß die Seite des Bauträgers stärkt. Holen Sie sich rechtliche und technische Unterstützung, bevor Sie zahlen. Genau dann kippt die Lage – und plötzlich sind nicht mehr Sie die oder der Schwache in dieser Auseinandersetzung, sondern derjenige, der versucht hat, ohne rechtliche Grundlage Geld von Ihnen zu bekommen.

Kaufpreisminderung oder Rückabwicklung wegen zu geringer Wohnfläche in Österreich

Ein Bauplan eines Hauses
Ein Bauplan eines Hauses

Kaufpreisminderung oder Rückabwicklung wegen zu geringer Wohnfläche in Österreich

Sie kaufen ein Einfamilienhaus, zahlen jeden Euro des Kaufpreises – und erst nach der Übergabe zeigt das Gutachten: Das Haus ist deutlich kleiner als angegeben. Die Wohnfläche stimmt nicht. Plötzlich ist Ihre Immobilie 15 m² „geschrumpft“. Das ist kein Schönheitsfehler. Das ist rechtlich ein Mangel und kann zu Kaufpreisminderung, Rückabwicklung des Kaufvertrags und sogar zu Ansprüchen gegen den Makler führen. In vielen Fällen lassen sich so enorme Beträge zurückholen.

1) Warum die tatsächliche Wohnfläche so wichtig ist

Die ausgewiesene Wohnfläche bestimmt ganz wesentlich den Wert einer Immobilie. Wer glaubt, ein Haus mit 150 m² Wohnfläche zu kaufen, bezahlt üblicherweise mehr als für ein Haus mit nur 130 m². Wird eine deutlich größere Fläche versprochen als tatsächlich vorhanden ist, liegt daher regelmäßig ein Sachmangel vor. Das gilt erst recht, wenn diese Angabe im Exposé oder in den Verhandlungen als Verkaufsargument verwendet wurde. Gerichte sehen bei deutlichen Abweichungen – etwa ab rund 10 % Unterschied zwischen zugesagter und tatsächlicher Wohnnutzfläche – typischerweise einen erheblichen Mangel, der zu Preisminderung oder sogar Rücktritt führen kann. Diese Rechtsprechung ist in Deutschland gefestigt und wird auch in Österreich häufig als Argumentationslinie herangezogen.

Gerade bei Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen, die „mit ca. XY m² Wohnfläche“ beworben werden, ist die richtige Fläche kein nebensächliches Detail, sondern oft kaufentscheidend. Käuferinnen und Käufer dürfen sich grundsätzlich auf solche Angaben verlassen.

2) Ist eine geringere Wohnfläche ein „Mangel“ im rechtlichen Sinn?

Ja, in der Regel schon.

Nach österreichischem Gewährleistungsrecht (§§ 922 ff ABGB) muss die verkaufte Sache (also das Haus oder die Wohnung) den „bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ entsprechen. Das bedeutet: Die Immobilie muss das halten, was ausdrücklich zugesichert wurde – und dazu zählt auch die Wohnfläche. Weicht die tatsächliche Wohnfläche spürbar von den Angaben ab, entspricht die Leistung nicht dem Vertrag; das ist ein Mangel.

Ob der Mangel „groß“ oder „klein“ ist, entscheidet später darüber, ob nur eine Preisminderung möglich ist – oder sogar die komplette Vertragsaufhebung (Rückabwicklung). Dazu gleich mehr. Nach der Rechtsprechung kommt es auf die wirtschaftliche Bedeutung der Abweichung, auf die Nutzungseinschränkungen und darauf an, wie stark der vereinbarte Kaufpreis durch die (falsche) Quadratmeterzahl beeinflusst war.

3) Ihre Hauptansprüche gegen den Verkäufer

Stellen Sie nach Übergabe fest: „Das Haus ist kleiner als versprochen“, haben Sie grundsätzlich zwei rechtliche Wege:

(A) Gewährleistung – Preisminderung oder Wandlung

Die Gewährleistung (§§ 922 ff, 932 ABGB) ist Ihr erster Hebel. Wichtig: Gewährleistung ist verschuldensunabhängig. Das heißt, Sie müssen nicht beweisen, dass der Verkäufer „schuld“ ist. Es reicht, dass ein Mangel vorliegt, also etwa eine massiv zu hoch angegebene Wohnfläche.

1. Verbesserung / Austausch?

Bei normalen Kaufverträgen sieht das Gesetz zuerst die „primären Gewährleistungsbehelfe“ vor: Verbesserung oder Austausch. Bei einer zu kleinen Wohnfläche ist eine „Verbesserung“ (mehr Quadratmeter anbauen) in der Praxis aber oft unmöglich oder völlig unverhältnismäßig. Dann dürfen Sie sofort auf die „sekundären Behelfe“ springen.

2. Preisminderung (§ 932 ABGB)

Die häufigste Lösung ist die Preisminderung.
Die Rechnung funktioniert nach der sogenannten relativen Berechnungsmethode.

Man vergleicht den Wert des Hauses in der versprochenen Größe (Wert mangelfrei) mit dem Wert des Hauses in der tatsächlichen, kleineren Größe (Wert mangelhaft).

Dieses Verhältnis wird dann auf den Kaufpreis angewendet.
Vereinfacht gesagt: Sie bekommen die Differenz zwischen bezahltem Preis und dem Preis, den das kleinere Objekt tatsächlich wert ist, zurück.

Gerade bei deutlichen Flächenabweichungen kann das sehr schnell in die Zehntausende Euro gehen.

3. Wandlung / Vertragsauflösung (§ 932 ABGB)

Ist der Mangel „nicht bloß geringfügig“, können Sie statt der Preisminderung die Wandlung verlangen – also die komplette Rückabwicklung des Kaufvertrags: Sie geben das Haus zurück, der Kaufpreis wird rückerstattet (abzüglich eines allfälligen Benützungsentgelts für die Zeit, in der Sie das Haus genutzt haben).

Ob der Mangel „nicht bloß geringfügig“ ist, hängt von der Schwere der Abweichung, der wirtschaftlichen Relevanz und der Zumutbarkeit für beide Seiten ab. Bei massiven Quadratmeterabweichungen, die kaufentscheidend waren, kann das durchaus erreicht werden.

Fristen:

Für unbewegliche Sachen (also Grundstücke und Gebäude) beträgt die Gewährleistungsfrist grundsätzlich drei Jahre ab Übergabe. Innerhalb dieser Frist muss der Mangel hervorkommen und geltend gemacht werden; Ansprüche auf Preisminderung oder Vertragsauflösung verjähren dann drei Monate nach Ablauf dieser Frist.
Das heißt: Sie haben nicht „ewig“ Zeit. Bei Immobilien sollten Sie rasch handeln.

(B) Irrtumsanfechtung (§ 871 ABGB) – Rückabwicklung „ex tunc“

Die zweite große Schiene ist die Anfechtung wegen Irrtums.

Wenn Sie den Kaufvertrag nur deshalb abgeschlossen haben, weil Sie davon ausgegangen sind, das Haus habe (zum Beispiel) 150 m², tatsächlich aber sind es nur 130 m², dann haben Sie sich über eine für Sie kaufentscheidende Eigenschaft des Kaufobjekts geirrt. Das kann ein sogenannter „wesentlicher Geschäftsirrtum“ sein. Ein solcher wesentlicher Irrtum berechtigt dazu, den Vertrag anzufechten und damit aufzuheben.

Ganz wichtig: Bei der Irrtumsanfechtung geht es nicht um Mängelbehebung oder Preisreduktion, sondern darum, dass der Vertrag so behandelt wird, als wäre er nie zustande gekommen („ex tunc“ Wirkung). Dann muss rückabgewickelt werden: Kaufpreis zurück – Immobilie zurück.

In der Praxis ist die Irrtumsanfechtung besonders stark, wenn

  • die (falsche) Wohnfläche ausdrücklich genannt und kaufentscheidend war,

  • der Verkäufer bzw. sein Makler diese Information geliefert hat und

  • klar ist: Hätten Sie die wahre Fläche gekannt, hätten Sie den Vertrag gar nicht geschlossen. 

Warum beide Wege wichtig sind:

  • Mit Gewährleistung (Preisminderung / Wandlung) sichern Sie sich jedenfalls finanzielle Kompensation.

  • Mit Irrtumsanfechtung können Sie auch dann zur kompletten Rückabwicklung kommen, wenn Sie sagen: „Dieses Haus wollte ich unter diesen Bedingungen überhaupt nicht.“

4) Wer haftet eigentlich? Verkäufer, Makler – oder beide?

Verkäufer

Der Verkäufer haftet aus Gewährleistung dafür, dass die Immobilie die zugesicherten Eigenschaften hat. Dazu gehört auch die Quadratmeterzahl, insbesondere wenn sie aktiv ins Exposé, in die Verhandlungen oder sogar in den Kaufvertrag übernommen wurde.

Außerdem kann der Verkäufer sich eine Irrtumsanfechtung zurechnen lassen, wenn die Falschangabe über die Wohnfläche von seinem Immobilienmakler stammt. Der Oberste Gerichtshof hält fest, dass der Verkäufer sich irreführende Aussagen „seines“ Maklers zurechnen lassen muss, sobald der Makler mit der Verhandlungsführung betraut wurde. Dann muss sich der Verkäufer so behandeln lassen, als hätte er selbst diese falsche Angabe gemacht.

Gerade deshalb ist es bei Haus- oder Wohnungskauf so wichtig, sämtliche Exposés, Inserate, E-Mails, WhatsApp-Nachrichten usw. zu sichern. Diese Unterlagen helfen uns, zu beweisen, was zugesagt wurde.

Makler

Viele Käufer glauben: „Mit dem Makler habe ich doch gar keinen Vertrag – dann kann ich bei ihm nichts holen.“ Das stimmt so nicht.

Der Immobilienmakler hat gesetzliche Aufklärungs- und Informationspflichten. Er darf keine objektiv falschen Angaben machen oder Angaben weitergeben, bei denen er weiß (oder wissen müsste), dass sie falsch oder zumindest zweifelhaft sind. Tut er es doch, verletzt er seine Pflichten. In Österreich kann das folgende Konsequenzen haben:

Wenn der Makler wesentliche Pflichten verletzt – zum Beispiel, indem er falsche Eckdaten zur Immobilie verbreitet – kann sein Provisionsanspruch ganz oder teilweise entfallen bzw. „gemäßigt“ werden. Das gilt insbesondere dann, wenn der Kunde gerade wegen dieser Falschangabe den Vertrag abgeschlossen hat.

Der Makler kann Ihnen gegenüber schadenersatzpflichtig werden. Er muss Sie so stellen, wie Sie stünden, wenn Sie sich nie auf die Fehlinformation verlassen hätten. Das umfasst etwa Kosten, die Sie nur deshalb hatten, weil Sie das „falsche“ Objekt gekauft haben: zu hoher Kaufpreisanteil, Nebenkosten (Grunderwerbsteuer, Vertragserrichtung, Finanzierungskosten etc.) – insbesondere dann, wenn Sie die Immobilie bei richtiger Aufklärung gar nicht oder nur deutlich günstiger gekauft hätten.

Wichtig: Der Schadenersatzanspruch gegen den Makler ist typischerweise verschuldensabhängig. Wir müssen also zeigen, dass der Makler zumindest fahrlässig gehandelt hat – etwa weil die Quadratmeterzahl offensichtlich nicht stimmen konnte oder weil ihm Unterlagen vorlagen, die eine kleinere Fläche auswiesen.

5) Preisminderung vs. Rückabwicklung – was ist realistischer?

In der Praxis ist die Preisminderung häufig der schnellste Hebel. Sie behalten das Haus, aber Sie bezahlen nicht den Preis für etwas, das Sie nie bekommen haben. Die Differenz kann – gerade bei Einfamilienhäusern mit hohen Kaufpreisen – sehr hoch sein. Die Preisminderung setzt voraus, dass der Mangel (hier: falsche Wohnfläche) nachweisbar ist und wirtschaftlich ins Gewicht fällt.

Die Wandlung ist ein „großes Geschütz“. Sie ist möglich, wenn der Mangel nicht bloß geringfügig ist. Bei gravierenden Abweichungen der Wohnfläche oder wenn das Haus damit nicht der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, ist dieses Argument absolut vertretbar. Allerdings ist die Wandlung emotional und praktisch einschneidend: Sie geben das Haus zurück.

Auch über die Irrtumsanfechtung lässt sich eine Rückabwicklung erreichen – mit dem rechtlichen Effekt, dass der Vertrag „nie bestanden hat“. Diese Schiene ist besonders interessant, wenn Sie sagen: „Hätte ich die wahre Wohnfläche gekannt, hätte ich NIEMALS unterschrieben.“ Das müssen wir aber auch beweisen können.

Ihre Optionen

Behalten oder rückabwickeln?

Diese Übersicht hilft Ihnen zu entscheiden, ob Sie "nur" Geld zurückfordern (Preisminderung) – oder ob Sie den gesamten Kaufvertrag kippen wollen (Rückabwicklung / Wandlung / Irrtumsanfechtung).

Behalten

Preisminderung

Sie behalten das Haus – aber zahlen nicht den Preis für Quadratmeter, die nie existiert haben.

  • Sie bekommen Geld retour (Wertdifferenz).
  • Kein Umzug, kein organisatorisches Chaos.
  • Ideal, wenn Sie eigentlich zufrieden sind – nur der Preis passt nicht.
  • Juristische Basis: Gewährleistung (Sachmangel).
Raus

Rückabwicklung

Sie sagen: "Dieses Haus hätte ich so nie gekauft." Der Vertrag soll rückgängig gemacht werden.

  • Sie geben die Immobilie zurück.
  • Sie erhalten (weitgehend) den Kaufpreis zurück.
  • Sinnvoll bei massiver Flächenabweichung oder zerstörtem Vertrauen.
  • Juristische Basis: Wandlung (Gewährleistung) oder Irrtumsanfechtung.
Praxis-Tipp: Sie müssen sich nicht sofort festlegen. Wir sichern zuerst Ihre Ansprüche (Fristen!) und entscheiden dann strategisch, ob Preisminderung reicht – oder ob wir auf komplette Rückabwicklung gehen.

6) Was Sie als Käufer sofort tun sollten

Lassen Sie die Wohnnutzfläche fachgerecht vermessen und dokumentieren. Ein Sachverständigengutachten ist Gold wert.

Exposé, Inserate, Grundrisse, Mails, Chatverläufe mit dem Makler, Notariatsakt. Speichern Sie auch Screenshots. Diese Unterlagen sind oft der Beweis, dass eine bestimmte Quadratmeterzahl zugesichert wurde.

Geben Sie gegenüber Verkäufer oder Makler keine „Einverständniserklärung“ ab, dass „eh alles passt“, bevor Sie mit uns gesprochen haben.

Die Gewährleistungsfrist bei Immobilien beträgt grundsätzlich drei Jahre ab Übergabe. Danach wird es schwieriger.

Wir prüfen für Sie, ob Preisminderung, Wandlung oder eine Irrtumsanfechtung (Rückabwicklung) in Ihrem konkreten Fall durchsetzbar ist – und ob zusätzlich Ansprüche gegen den Makler (Schadenersatz, Provisionsminderung) bestehen.

7) Was Verkäufer und Makler wissen sollten

Das Thema ist nicht nur für Käufer brisant.
 
Verkäufer:
Wenn Sie Quadratmeterzahlen nennen (oder nennen lassen), müssen diese stimmen oder zumindest plausibel offengelegt werden. Sie haften sonst für Gewährleistung, mögliche Rückabwicklung und – über Ihren Makler – sogar für Irrtumsanfechtung des Käufers.
 
Makler:
Als Makler dürfen Sie keine Zahlen „schönreden“, die offensichtlich nicht haltbar sind. Sie haben Informations- und Aufklärungspflichten. Falsche oder grob fahrlässig unrichtige Angaben können Ihren Provisionsanspruch gefährden oder reduzieren und zu Schadenersatzansprüchen führen. Für Makler bedeutet das: Lieber einmal mehr nachprüfen (z.B. Pläne, Baubewilligungen, Nutzflächenberechnung) und Zweifel klar kommunizieren, statt blind Quadratmeterzahlen weiterzugeben.
Frist

Gewährleistungsfrist läuft – Beweise jetzt sichern

Bei Immobilien gilt grundsätzlich eine dreijährige Gewährleistungsfrist ab Übergabe. Danach wird es sehr schwer, Geld zurückzubekommen.

Sichern Sie Exposé, Inserate, Quadratmeterangaben des Maklers und ein Vermessungsgutachten. Das ist Ihre Ausgangsbasis für Preisminderung oder Rückabwicklung.

Brandauer Rechtsanwälte prüft für Sie, ob Sie den Kaufpreis senken, die Provision des Maklers kürzen oder den gesamten Kaufvertrag anfechten können.

Fazit

Eine zu klein geratene Wohnfläche ist kein „Pech gehabt“. Sie ist ein rechtlich relevanter Mangel. Gerade weil es hier um sehr hohe Summen geht (Kaufpreis, Nebenkosten, Finanzierung, Zukunft Ihrer Familie), sollten Sie rasch handeln, Beweise sichern und die rechtliche Strategie sauber aufsetzen. Die gute Nachricht: Sie stehen nicht machtlos da.

Fehlende oder fehlerhafte Baubewilligungen & Konsensabweichungen: Was Immobilienkäufer und Eigentümer in Österreich wissen müssen

Ein Architekt, welcher mit einem Plan vor einem Haus steht
Ein Architekt, welcher mit einem Plan vor einem Haus steht

Fehlende oder fehlerhafte Baubewilligungen & Konsensabweichungen: Was Immobilienkäufer und Eigentümer in Österreich wissen müssen

Sie kaufen eine Immobilie – und erst später stellt sich heraus: Der Dachausbau wurde nie bewilligt, der Wintergarten weicht vom Einreichplan ab, oder es gibt keine Benützungsbewilligung/Fertigstellungsanzeige. Genau dann entscheidet sich, ob Sie die Liegenschaft wie geplant nutzen können, ob nachträglich saniert werden muss – oder ob Ihnen Gewährleistungs- bzw. Schadenersatzansprüche gegen den Verkäufer zustehen. Dieser Beitrag ordnet das Thema klar, aktuell und praxisnah: Was ist eine Konsensabweichung, welche Folgen drohen, wie gelingt die Sanierung (Legalisation) – und welche Rechte haben Käufer?

1) „Baukonsens“ & Bewilligungen – das kleine 1×1

Unter Baukonsens versteht man die behördlich erteilte Genehmigung, ein Bauwerk in einer bestimmten Art zu errichten oder zu ändern. Kurz: Das tatsächlich Gebaute muss dem bewilligten entsprechen. Neu-, Zu- und wesentliche Umbauten sind – je nach Bundesland – bewilligungspflichtig (oder zumindest anzeigepflichtig). Zudem erlischt eine Baubewilligung, wenn nicht fristgerecht begonnen oder fertiggestellt wird. Nach Fertigstellung ist – je nach Landesrecht – Benützungsbewilligung oder Fertigstellungsanzeige erforderlich; erst damit ist die Benützung behördlich „abgehakt“.

Konsensabweichung liegt vor, wenn das Bauwerk vom bewilligten Zustand abweicht (z. B. anderer Grundriss, zusätzliche Öffnungen, höheres Geländeniveau). Solche Abweichungen sind kein Bagatellthema: In der Praxis ist oft nachträgliche Bewilligung nötig – oder die Herstellung des gesetzmäßigen Zustands. In gravierenden Fällen kann der (alte) Konsens sogar untergehen, etwa wenn die Bausubstanz nahezu vollständig ersetzt wurde.

2) Folgen bei fehlender Bewilligung/Konsensabweichung

Wer ohne notwendige Bewilligung/Anzeige baut, riskiert die sofortige Baustoppverfügung und behördliche Aufträge (z. B. Herstellung des konsenskonformen Zustands) samt Verwaltungsstrafen. In Wien sieht § 135 BO Geldstrafen bis zu 300.000 € vor (im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzfreiheits- oder Freiheitsstrafe). Ähnlich strenge Regelungen gibt es in den übrigen Ländern.

Auch die Benützung eines Bauwerks ohne die erforderliche Benützungsbewilligung/Fertigstellungsanzeige kann untersagt und verwaltungsstrafrechtlich verfolgt werden; die Details hängen vom jeweiligen Landesrecht ab.

Behördliche Maßnahmen & Risiken

Was bei fehlender Bewilligung oder Konsensabweichung typisch droht – und was das praktisch heißt.

Baustopp

Sofortiger Baustopp

Anordnung der Behörde; Arbeiten ruhen. Weiterbau = weitere Strafen.

Zeitplan & Kosten neu kalkulieren.

Bauauftrag

Herstellung rechtmäßigen Zustands

Nachbewilligung oder Rückbau. Fristen streng, Vollzug möglich.

Vorbereitung: Pläne, Gutachten, Abklärung mit Nachbarn.

Nutzung

Benützungsuntersagung

Ohne Benützungsbewilligung/Fertigstellung → Nutzung kann untersagt werden.

Wirtschaftliche Folgen (Mieteinnahmen, Betrieb) bedenken.

Strafen

Verwaltungsstrafen

Je nach Landesrecht, in Städten sehr hoch. Wiederholungen verschärfen.

Compliance & Dokumentation verbessern.

Zivilrecht

Gewährleistung/Schadenersatz

Gegen Verkäufer als Rechtsmangel; Folgekosten einklagen.

Fristen beachten, Beweise sichern.

3) Kaufrechtliche Einordnung: Rechtsmangel – und was Käufer verlangen können

Fehlen die notwendigen Bewilligungen (oder ist der Konsens in wesentlichen Teilen verletzt), liegt nach ständiger Judikatur ein Rechtsmangel vor: Der Verkäufer verschafft nicht die rechtliche Position, die der Vertrag erwarten lässt. Der OGH hat dies ausdrücklich bejaht – selbst eine jederzeit widerrufliche Bewilligung wurde einem Mangel gleichgehalten.

Für Käufer bedeutet das: Gewährleistung (Verbesserung/Preisminderung/Vertragsauflösung) und – bei Verschulden – Schadenersatz kommen in Betracht. Bei arglistigem Verschweigen eröffnen sich zusätzlich Anfechtungsrechte. Fristen: Bei Rechtsmängeln an unbeweglichen Sachen 3 Jahre ab Kenntnis (plus 3 Monate Klagefrist).

Wichtig: Eine „wie-besichtigt“-Klausel hilft dem Verkäufer nicht gegen verborgene Rechtsverstöße; sie ersetzt keine Baubewilligung. Entscheidend bleibt, ob der rechtliche und tatsächliche Zustand dem Vertrag entspricht (§ 922 ABGB).

4) Sanierung (Legalisation): Wege aus der Baurechtswidrigkeit

Der Regelfall ist die nachträgliche Bewilligung („Konsensanpassung/Konsensberichtigung“), wenn das Abweichen bewilligungsfähig ist (z. B. Einhaltung von Bebauungsplan, Abständen, Brandschutz). In manchen Ländern gibt es spezielle Institute, um Altbestand (teils nach Jahrzehnten) als „rechtmäßig“ festzustellen – etwa Oberösterreich, wo 2022 Erleichterungen für lange bestehende Abweichungen geschaffen wurden. Das ersetzt keine Prüfung im Einzelfall, ist aber bei „gewachsenen“ Situationen eine Option.

Achtung: Wird ein Gebäude nahezu vollständig ersetzt oder massiv umgebaut, kann der ursprüngliche Konsens untergehen – dann hilft nur ein vollwertiges Neubewilligungsverfahren.

5) Due Diligence & Erstmaßnahmen: So gehen Sie klug vor

Schon vor dem Kauf sollte der Konsens abgeklärt werden: Bauakt-Einsicht (Einreich-/Bewilligungsbescheide, genehmigte Pläne, Benützungsbewilligung/Fertigstellungsanzeige) bei der zuständigen Behörde – in Wien etwa im Planarchiv der MA 37; vielerorts ist eine legitime Vollmacht/Eigentumsnachweis nötig. Danach vergleicht man die bewilligte mit der tatsächlichen Ausführung (Begehung, Aufmaß, Fotos).

Nach dem Kauf gilt: rasch Beweise sichern, Mängel schriftlich rügen, Fristen notieren und die Bewilligungsfähigkeit der Abweichungen prüfen – ob für eine Konsensberichtigung, eine nachträgliche Bewilligung oder als Basis für Gewährleistung/Schadenersatz.

Due-Diligence: Bauakt-Checkliste

Diese Unterlagen/Vergleiche brauchen Sie für eine saubere Konsensprüfung.

Einreich- & Bewilligungsunterlagen

Bescheide, genehmigte Pläne, allfällige Auflagen; Gültigkeit/Fristen prüfen.

Benützungsbewilligung/Fertigstellungsanzeige

Ohne diesen „Schlusspunkt“ drohen Benützungsuntersagung und Strafen.

Ist-/Soll-Abgleich

Vor-Ort-Begehung, Aufmaß, Fotodokumentation; Abstände, Brandschutz, Statik, Widmung checken.

Rechtsstrategie & Kaufvertrag

Klauseln („konsensgemäß“, Zusicherungen, Gewährleistung) präzisieren; bei Abweichungen: Nachbewilligung oder Ansprüche planen.

Sonderfälle im Blick

Untergang des Konsenses, Altbestand-Erleichterungen (länderabhängig), Nachbarzustimmungen.

6) Typische Fallkonstellationen – und unsere Lösungsschritte

Ohne die erforderliche Benützungsbewilligung/Fertigstellungsanzeige droht Benützungsuntersagung; parallel prüfen wir Gewährleistung (Rechtsmangel) gegen den Verkäufer und steuern die Nachbewilligung.

Zuerst Ist-/Soll-Abgleich; ist die Ausführung bewilligungsfähig, beantragen wir Konsensanpassung. Ist sie nicht bewilligungsfähig, verhandeln wir über Rückbau/Preisminderung und sichern Ansprüche.

Je nach Land können Altbestands-Instrumente helfen (z. B. OÖ-Rechtslage); andernfalls bleibt nur die Nachbewilligung oder Herstellung des gesetzlichen Zustands.

Das ist regelmäßig gewährleistungsrelevant; bei wesentlichen Mängeln steht die Wandlung im Raum, bei Verschulden Schadenersatz. Wir sichern Beweise, beziffern Kosten und wählen die rechtlich wie wirtschaftlich beste Spur.

7) Häufige Fragen und Antworten

Rechtlich relevant ist jede Abweichung, die bewilligungspflichtig wäre oder den bestehenden Konsens verletzt. Bei gravierenden Umbauten kann der Konsens untergehen – dann ist ein Neubewilligungsverfahren nötig.

Von Baustopp bis Abbruch- bzw. Herstellungsauftrag und hohen Geldstrafen (z. B. in Wien bis 300.000 €).

Inhalt Der OGH qualifiziert dies als Rechtsmangel – selbst eine bloß widerrufliche Bewilligung genügt nicht.

Ja. Bei Rechtsmängeln an unbeweglichen Sachen verjähren Gewährleistungsrechte 3 Jahre ab Kenntnis (plus 3 Monate Klagefrist). Ansprüche und Strategie frühzeitig prüfen!

Je nach Stadt: Termin, Ausweis, Grundbuchsauszug/Vollmacht; in Wien über das Planarchiv MA 37.

Fazit

Konsensabweichungen sind Detailarbeit zwischen Baurecht, Grundbuch und Kaufrecht. Wir verbinden sorgfältige Beweisführung (Bauakt, Aufmaß, Gutachten) mit klarer Mandatsstrategie: Legalisation, Rückbau, Preisminderung/Wandlung oder Schadenersatz – jeweils zeit- und kostenbewusst. Unser Vorteil: Prozesserfahrung und gelebte Behördenpraxis. So wird aus einem „schwarz gebauten“ Problem eine berechenbare Lösung.

Servitute, Wegerechte, Fruchtgenuss und Wohnrecht: Was Immobilienkäufer und Eigentümer in Österreich wissen müssen

Eine Frau und ein Mann sitzen an einem Schreibtisch. Die Frau hält das Modell eines Hauses, während der Mann Dokumente betrachtet
Eine Frau und ein Mann sitzen an einem Schreibtisch. Die Frau hält das Modell eines Hauses, während der Mann Dokumente betrachtet

Servitute, Wegerechte, Fruchtgenuss und Wohnrecht: Was Immobilienkäufer und Eigentümer in Österreich wissen müssen

Sie kaufen ein Haus, und im Grundbuch taucht plötzlich ein Wegerecht auf. Die Eltern schenken Ihnen eine Wohnung, behalten sich aber ein Wohnrecht vor. Der Nachbar nutzt seit Jahrzehnten „einfach so“ Ihren Feldweg – und behauptet, er habe das Recht dazu ersessen. Oder Ihr Grundstück hat gar keinen Anschluss an die öffentliche Straße und Sie brauchen einen Notweg. Genau in diesen Situationen entscheidet sich, ob Sie Ihre Immobilie frei nutzen können – oder ob fremde Rechte sie dauerhaft beschränken. Dieser Leitfaden erklärt klar und verlässlich, was Servitute sind, wie sie entstehen, wie sie enden und wie Sie Ihre Position sichern.

Servituten im Überblick

Die wichtigsten Arten – Zweck, typische Stolpersteine und Praxis-Hinweise.

Wegerecht

  • Zufahrt/Zuweg über fremdes Grundstück.
  • Entstehung: Vertrag+Einverleibung, Ersitzung oder Notweg.
  • Genauer Verlauf & Breite festhalten.
Grunddienstbarkeit

Leitungsrecht

  • Wasser, Strom, Gas, Daten – Trasse & Wartung.
  • Eintragung mit Plandarstellung empfehlenswert.
  • Offenkundigkeit kann Erwerber binden.
Grunddienstbarkeit

Wohnrecht

  • Persönliches Recht an konkreten Räumen.
  • Umfang genau beschreiben (Räume, Nebenflächen).
  • Nicht auf bloßem ideellen Anteil verbücherbar.
Persönliche Servitut

Fruchtgenuss

  • „Genuss ohne Substanzminderung“ – auch Vermietung möglich.
  • Weitreichender als Wohnrecht; steuerliche Wirkung beachten.
  • Exakte Formulierung im C-Blatt.
Persönliche Servitut

1) Grundwissen: Was ist eine Servitut – und welche Arten gibt es?

Servituten (Dienstbarkeiten) sind dingliche Rechte, die eine Eigentümerin verpflichtet, „zum Vorteil einer anderen“ etwas zu dulden oder zu unterlassen – etwa das Befahren eines Wegs über ihr Grundstück. Sie wirken gegen jeden Eigentümer der belasteten Liegenschaft und sind damit deutlich „stärker“ als bloße Vertragsrechte.

Man unterscheidet Grunddienstbarkeiten (zugunsten eines Grundstücks, z. B. Wegerecht, Leitungsrecht) und persönliche Dienstbarkeiten (zugunsten einer Person). Zu letzteren zählen insbesondere Gebrauchsrecht, Fruchtgenuss und die Servitut der Wohnung („Wohnrecht“). Fruchtgenuss bedeutet: eine fremde Sache „mit Schonung der Substanz“ ohne Einschränkung zu genießen, also auch die Erträge zu ziehen; das Wohnrecht wiederum ist nach dem Gesetz ein Gebrauchs- oder Fruchtgenussrecht an Wohnräumen – je nach Umfang der Benützung.

2) Wohnrecht vs. Fruchtgenuss: Wo verläuft die Grenze – und warum ist das wichtig?

Im Alltag wird „Wohnrecht“ gern als Sammelbegriff verwendet. Juristisch ist entscheidend, wie weit das Recht reicht: Wird nur der eigene Bedarf gedeckt, liegt regelmäßig Gebrauchsrecht (Wohnungsgebrauch) vor; umfasst das Recht alle bewohnbaren Teile ohne Einschränkung, spricht vieles für Fruchtgenuss – dann darf z. B. auch vermietet werden. Das hat der OGH mehrfach betont. Konsequenz: Nutzungsumfang, Übertragbarkeit und steuerliche Folgen unterscheiden sich. Wer schenkt, vererbt oder kauft, sollte daher Formulierungen glasklar halten – und im Grundbuch bestimmt beschreiben, was genau eingeräumt wird.

Ein weiterer Stolperstein: Wohnrechte dürfen nicht bloß auf einem ideellen Anteil an einer Liegenschaft verbüchert werden; es braucht eine bestimmte Räumlichkeit/Fläche. Außerdem verlangt § 12 GBG, dass Inhalt und Umfang von Dienstbarkeiten „möglichst bestimmt“ angegeben werden – vage Formulierungen scheitern am Grundbuch.

Wohnrecht vs. Fruchtgenuss – was darf ich wirklich?

Kriterium
Wohnrecht (Gebrauch)
Fruchtgenuss
Nutzungsumfang
Deckung des eigenen Wohnbedarfs
Umfassende Nutzung der Räume
Vermietung erlaubt?
eher nein
ja, typischerweise
Übertragbarkeit
streng persönlich
grundsätzlich nicht übertragbar, aber „Nutzung durch Dritte“ (Vermietung) möglich
Eintragung im Grundbuch
konkrete Räume/Flächen bestimmt bezeichnen
Inhalt/Umfang präzise; häufig inklusive Nebennutzungen
Typische Fehler
nur ideeller Anteil statt bestimmter Räume
zu vage Formulierungen → Streit über Reichweite
Praxis: Die richtige Qualifikation entscheidet über Rechte (z. B. Vermietung), Bewertung und Steuern. Formulieren Sie klar – und verbüchern Sie „bestimmt“.

3) Wegerechte in der Praxis: Vertrag, Ersitzung, Offenkundigkeit – und der Notweg

Wie entstehen Wegerechte? Klassisch durch Vertrag (Titel) und Einverleibung im Grundbuch (Modus). Der OGH erkennt aber auch konkludente Bestellungen (z. B. geduldete Errichtung und Benützung eines Zufahrtswegs) – ohne saubere Eintragung riskant, weil der lastenfreie Erwerb Dritter droht.

Ersitzung: Wird ein Weg über Jahrzehnte in gleichbleibender Art genutzt und ist das für die/den Belasteten erkennbar, kann eine Wegeservitut ersessen werden. Die Rechtsprechung verlangt eine klare, erkenn­bare Rechtsausübung; zur genauen Dauer und zu Sonderkonstellationen gibt es zahlreiche Entscheidungen des OGH. Für die Praxis heißt das: Nutzung dulden ist heikel – wer nicht will, dass ein Weg „Recht“ wird, muss klar widersprechen und notfalls gerichtlich aktiv werden.

Offenkundige Servitut: Auch nicht verbücherte Rechte binden Erwerber:innen, wenn sie offenkundig sind – etwa weil am dienenden Grundstück sichtbare Anlagen (fixer Fahrweg, Leitungen, Tore) die Dienstbarkeit nahelegen oder der Erwerber sie kannte. Offenkundigkeit ist Ausnahme vom Vertrauen in das Grundbuch und im Streit zu beweisen. Fazit: Due Diligence heißt, hinzuschauen – und bei Verdachtsmomenten nachzuforschen.

Notweg: Fehlt die ausreichende Verbindung zum öffentlichen Wegenetz, kann das Gericht nach dem Notwegegesetz einen Notweg über Nachbargrundstücke einräumen – gegen Entschädigung und nur, wenn der Vorteil die Nachteile überwiegt und kein eigene Sorglosigkeit die Notlage verursacht hat. Der Notweg wird entschieden, ausgestaltet und im Grundbuch eingetragen; die Entschädigung kann sogar durch Pfandrecht gesichert werden.

4) Grundbuch & Form: Ohne Bestimmtheit kein Schutz – mit Ausnahmen

Der Regelfall bleibt: Eintragung (Einverleibung) im C-Blatt schützt Ihr Recht vor lastenfreiem Erwerb Dritter. Dabei müssen Inhalt, Umfang und Lage der Dienstbarkeit präzise beschrieben sein; räumliche Grenzen sind genau zu bezeichnen. Unscharfe Klauseln gefährden die Eintragung – oder deren Durchsetzbarkeit. Ausnahmen (Ersitzung, Offenkundigkeit, gerichtlicher Notweg) helfen im Einzelfall, ersetzen aber keine sorgfältige Grundbuchsgestaltung.

5) So erlöschen Servituten

Servituten können vertraglich aufgehoben oder wegen Vereinigung (belastetes und berechtigtes Grundstück fallen zusammen) automatisch beendet werden. Daneben kennt das ABGB zwei „Zeitfallen“:

(a) Freiheitsersitzung (§ 1488 ABGB): Widersetzt sich der Belastete der Ausübung und unterlässt dder Berechtigte drei Jahre lang gerichtliche Hilfe, kann die Servitut verjähren. Wichtig ist die Widersetzlichkeit (z. B. Zaun, Kette, verweigerte Durchfahrt) – und dass die Berechtigten davon wissen.

(b) Schlichter Nichtgebrauch (§§ 1479, 1485 ABGB): Ohne Widersetzlichkeit kann langer Nichtgebrauch (30/40 Jahre, je nach Konstellation) zum Erlöschen führen. Die Rechtsprechung zieht die Linien – die Beweislast trifft meist die/den Eigentümer:in des dienenden Grundstücks. Praxisregel: Bewahren Sie Belege und Fotos Ihrer Ausübung; dokumentieren Sie Widersetzlichkeit.

Auch Zwecklosigkeit kann zum Erlöschen führen: Eine Dienstbarkeit lebt nur, solange sie für das herrschende Grundstück nützlich ist; reine Bequemlichkeit genügt nicht, aber jeder „ins Gewicht fallende Vorteil“ reicht.

Wann endet eine Servitut?

Die wichtigsten Beendigungsgründe – und was Sie dafür dokumentieren sollten.

Vertrag

Aufhebung & Löschung

Einvernehmliche Aufhebung und Eintragung der Löschung im C-Blatt.

Tipp: Räumliche und sachliche Reichweite mitprüfen.

Automatik

Vereinigung

Herrschendes und dienendes Grundstück fallen zusammen → Recht erlischt.

Nachweis im Grundbuch herstellen.

Verjährung

Freiheitsersitzung

Widersetzlichkeit (Zaun, Kette, Verbot) + keine gerichtliche Hilfe binnen ca. 3 Jahren.

Aktenlage sichern: Fotos, Schreiben, Zustellnachweise.

Langer Nichtgebrauch

Schlicher Nichtgebrauch

Sehr lange Nichtausübung (typ. Jahrzehnte) → mögliches Erlöschen.

Beweislast & Dauer beachten; Einzelfallprüfung.

Wegfall des Vorteils

Zwecklosigkeit

Kein ins Gewicht fallender Vorteil mehr für das herrschende Grundstück.

Technische/örtliche Änderungen dokumentieren.

6) Häufige Fallkonstellationen – und was jetzt zu tun ist

Im Kaufvertrag steht „lastenfrei“, doch im Grundbuch findet sich ein altes Wegerecht. Prüfen Sie Bestimmtheit und Umfang; ist die Servitut zwecklos oder erlöscht, können Löschung oder Feststellung Thema sein. Andernfalls regeln wir Zugang, Nutzung und Haftung verlässlich.

Jahrzehntelange Duldung kann Ersitzung fördern; ein später montiertes Schild stoppt das nicht automatisch. Wir empfehlen klare Widersetzlichkeitsakte und – wenn nötig – außerstreitige/streitige Schritte.

Definieren Sie Räume, Umfang, Nebenkosten, Besuchsrechte und Zutrittsrechte genau. Achten Sie auf die richtige Qualifikation (Gebrauch vs. Fruchtgenuss) – sie entscheidet u. a. über die Vermietbarkeit und die Bewertung bei Verkäufen/Schenkungen. Verbüchern Sie bestimmt.

Ein Notweg ist möglich, aber restriktiv: Ersetzt nicht die bequemere oder kürzere Route und setzt Entschädigung voraus. Wir prüfen Alternativen, kalkulieren Kosten/Nutzen und vertreten Sie im Außerstreitverfahren.

7) Häufige Fragen - und Antworten

Grundsätzlich ja – nur dann sind Sie gegen lastenfreien Erwerb Dritter geschützt. Ausnahmen (Ersitzung, Offenkundigkeit, Notweg) sind risikobehaftet und sollten schnell in eine präzise Eintragung überführt werden.

Ja, Ersitzung ist möglich – entscheidend sind gleichbleibende, erkennbare Ausübung und Zeit.

Durch Freiheitsersitzung (3 Jahre Nichtgeltendmachen bei Widersetzlichkeit) oder schlichten Nichtgebrauch über sehr lange Zeit; außerdem bei Zwecklosigkeit oder Vereinigung

Die Qualifikation (Gebrauch vs. Fruchtgenuss) und die Bestimmtheit der Eintragung. Wohnrechte auf ideellen Anteilen lassen sich nicht verbüchern.

Nur subsidär und gegen Entschädigung, wenn eine ausreichende Verbindung fehlt und der Vorteil die Nachteile überwiegt; Sorglosigkeit schadet.

Fazit

Servituten sind ein Detailrecht: Ein Wort zu wenig in der Beschreibung, ein Zaun zu lange stehen gelassen, eine Benützung zu sorglos geduldet – und der Fall kippt. Wir verbinden präzise Vertragsgestaltung, Grundbuchspraxis und Prozesserfahrung. Ob Wegerecht, Wohnrecht, Fruchtgenuss oder Notweg: Wir sichern Ihre Nutzungsfreiheit – oder setzen Ihr Recht wirksam durch.

Gewährleistung, Schadenersatz oder Anfechtung? – Wie Immobilienkäufer in Österreich ihre Ansprüche richtig durchsetzen

Ein Haufen von Paragrafen mit einem blauen Paragrafen in der Mitte
Ein Haufen von Paragrafen mit einem blauen Paragrafen in der Mitte

Gewährleistung, Schadenersatz oder Anfechtung? – Wie Immobilienkäufer in Österreich ihre Ansprüche richtig durchsetzen

Sie haben eine Wohnung oder ein Haus gekauft – und erst nach der Übergabe tauchen Probleme auf: Feuchtigkeit hinter der Dämmung, eine fehlende Baubewilligung, eine überraschende Dienstbarkeit. In kurzer Zeit müssen Sie entscheiden, welcher Rechtsweg der richtige ist: Gewährleistung, Schadenersatz oder Anfechtung wegen Irrtums bzw. arglistiger Täuschung. In diesem Beitrag erklären wir – klar, ohne Juristendeutsch – wann welcher Weg sinnvoll ist, welche Fristen gelten, und wie Sie Ihre Beweise so sichern, dass Ihre Ansprüche Chancen haben.

Auf einen Blick: Welcher Weg passt zu Ihrem Fall?

Die drei wichtigsten Anspruchswege beim Immobilienkauf – jeweils mit Zweck, Einstiegsvoraussetzungen und Fristen.

Primär
Gewährleistung
Frist: 3 Jahre ab Übergabe (+ 3 Monate Klage)
  • Ziel: Mangel beheben oder Preis mindern; Auflösung nur bei nicht bloß geringfügigem Mangel.
  • Voraussetzung: Mangel war bei Übergabe vorhanden (Sach- oder Rechtsmangel).
  • Beweis: Dokumentation, Gutachten, Übergabeprotokoll.
  • Hinweis: „Wie besichtigt“ deckt verdeckte Mängel nicht automatisch.

Ideal bei reinen Sachmängeln, wenn schnelle Verbesserung möglich ist.

Bei Verschulden
Schadenersatz
Frist: 3 Jahre ab Kenntnis (max. 30 Jahre)
  • Ziel: Ersatz von Folgeschäden (z. B. Mietausfall, Hotelkosten, Gutachten).
  • Voraussetzung: Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit, Verschulden.
  • Neben/anstelle: Kann neben oder statt Gewährleistung geltend gemacht werden.
  • Taktik: Zuerst Nacherfüllung verlangen, dann Folgeschäden beziffern.

Sinnvoll, wenn der Verkäufer Mängel kannte oder hätte kennen müssen.

Reset
Anfechtung (Irrtum/List)
Frist: 3 Jahre (Irrtum) / 30 Jahre (List)
  • Ziel: Rückabwicklung ex tunc oder Vertragsanpassung.
  • Irrtum: Vertrag wäre ohne Irrtum nicht geschlossen worden (z. B. Widmung).
  • List: Täuschung/Verschweigen; Ausschlussklauseln greifen nicht.
  • Praxis: Parallel Gewährleistung/Schadenersatz prüfen.

Der stärkste Hebel, wenn Sie sonst nie gekauft hätten.

1) Gewährleistung: die erste Adresse bei Sach- und Rechtsmängeln

Gewährleistung bedeutet: Der Verkäufer haftet dafür, dass die Immobilie bei Übergabe den vereinbarten oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften entspricht. Weicht die Realität davon ab, liegt ein Mangel vor. Rechtlich stützt sich das auf § 922 ABGB.

Bei Immobilien beträgt die Gewährleistungsfrist drei Jahre ab Übergabe. Für Rechtsmängel (z. B. ein unerwartetes Wegerecht) läuft die Frist ab Kenntnis des Käufers. Außerdem gibt es eine dreimonatige Klagefrist: Nach Ende der Gewährleistungsfrist haben Sie noch drei Monate, um Ihre Gewährleistungsrechte gerichtlich geltend zu machen. Diese Details stehen ausdrücklich in § 933 ABGB.

Was bekommen Sie über Gewährleistung? Primär die Verbesserung (Nachbesserung), subsidiär Preisminderung oder – wenn der Mangel nicht bloß geringfügig ist – Vertragsauflösung.

Beispiel

Hinter frisch verputzten Wänden tritt wenige Wochen nach Übergabe Feuchtigkeit auf. Hier ist Gewährleistung der natürliche Startpunkt: Sie fordern Verbesserung; scheitert diese oder ist sie unzumutbar, kommt Preisminderung oder Auflösung in Betracht.

Ein häufiger Irrtum betrifft „wie besichtigt“-Klauseln oder pauschale Gewährleistungsausschlüsse bei Privatkäufen. Der OGH hat 2023 klargestellt: Ein solcher Ausschluss deckt verdeckte Mängel, die bei sorgfältiger Besichtigung nicht erkennbar waren, nicht automatisch mit ab – insbesondere, wenn der Ausschluss mit dem Hinweis auf die Besichtigung verknüpft ist (1 Ob 79/23h).

Im Verbrauchergeschäft (Unternehmer → Verbraucher) gilt zusätzlich: Gewährleistung kann vor Kenntnis des Mangels nicht ausgeschlossen werden (§ 9 KSchG). Das ist zwingendes Recht – ein vertraglicher Ausschluss wäre unwirksam.

2) Schadenersatz: wenn mehr verlangt wird als bloße Mängelbehebung

Schadenersatz setzt Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden voraus. Der entscheidende Vorteil: Sie können Folgeschäden ersetzt verlangen – etwa Hotelkosten während der Sanierung, Mietausfälle oder Gutachterkosten. Das ABGB erlaubt ausdrücklich die Konkurrenz von Gewährleistung und Schadenersatz (§ 933a ABGB): Bei Verschulden des Verkäufers kann neben oder statt Gewährleistung Schadenersatz verlangt werden; primär ist aber auch hier zunächst die Verbesserung geschuldet.

Für Schadenersatzansprüche gilt die dreijährige Verjährungsfrist ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, längstens 30 Jahre (allgemeine Verjährungsnorm des § 1489 ABGB).

Beispiel

Der Verkäufer wusste (E-Mail liegt vor) von einer undichten Dachhaut, schwieg dazu aber bei Vertragsverhandlungen. Neben Gewährleistung können Sie Schadenersatz für Folgeschäden am Parkett und Nutzungsausfall geltend machen.

3) Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung: der „Reset“

Irrtumsanfechtung (§ 871 ABGB) greift, wenn Sie sich in einem wesentlichen Irrtum befanden – also den Vertrag ohne den Irrtum nicht geschlossen hätten (z. B. Sie gingen von einer Wohnwidmung aus, tatsächlich ist nur Büro zulässig). In solchen Fällen kann der Vertrag ex tunc beseitigt oder an die Realität angepasst werden.

Arglistige Täuschung (§ 870 ABGB) liegt vor, wenn der Verkäufer bewusst falsche Tatsachen propagiert oder aufklärungspflichtige Umstände verschweigt und Sie dadurch zum Vertragsabschluss bringt. Bei List sind Gewährleistungsausschlüsse wirkungslos; Sie können anfechten und daneben Schadenersatz begehren. Die Rechtsprechung umschreibt List seit Jahren als „rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung“ – auch durch Verschweigen bei bestehender Aufklärungspflicht.

Irrtum ist grundsätzlich binnen drei Jahren ab Vertragsabschluss geltend zu machen; List unterliegt einer langen – 30-jährigen – Verjährung.

Beispiel

Im Dachgeschoss wurde ohne Baubewilligung ausgebaut; der Verkäufer wusste davon und hielt die Information zurück. Hier kommt Anfechtung wegen List (mit 30-jähriger Frist) in Betracht – parallel zu Gewährleistung/Schadenersatz.

4) Wie wählen Sie den richtigen Weg – ohne Zeit zu verlieren?

Beginnen Sie bei reinen Sachmängeln typischerweise mit Gewährleistung: schriftlich rügen, Verbesserung verlangen und Fristen konsequent verfolgen. Verdichten sich Hinweise auf Verschulden (z. B. E-Mails, Protokolle, Prospektaussagen), ergänzen Sie Schadenersatz – gerade für Folgekosten. Wenn Sie hingegen nie gekauft hätten, weil eine wesentliche Grundlage nicht stimmte (Widmung, fehlende Bewilligung, verschwiegenes Wohnrecht), prüfen wir mit Ihnen die Irrtumsanfechtung bzw. List als stärksten Hebel.

Achten Sie auf die Formalia: In reinen B2B-Konstellationen kann zusätzlich die Rügeobliegenheit des § 377 UGB scharf wirken – Mängel müssen binnen angemessener Frist angezeigt werden, sonst droht der Verlust von Gewährleistungs- und Schadenersatzrechten. Für Konsumenten gilt diese strenge Obliegenheit nicht.

Fristen & Deadlines im Überblick

Merken Sie sich die Startpunkte – sie entscheiden oft über „gewonnen oder verloren“.

Gewährleistung

Sachmängel (Immobilie)

3 Jahre ab Übergabe

Danach + 3 Monate Klagefrist.

Gewährleistung

Rechtsmängel

3 Jahre ab Kenntnis

Z. B. unerwartete Dienstbarkeit/Wohnrecht.

Schadenersatz

Verschulden des Verkäufers

3 Jahre ab Kenntnis (max. 30 J.)

Ersatz von Folgeschäden (Mietausfall, Gutachten …).

Anfechtung

Irrtum (§ 871 ABGB)

3 Jahre ab Vertragsschluss

Rückabwicklung oder Vertragsanpassung.

Anfechtung

List (§ 870 ABGB)

30 Jahre

Ausschlussklauseln greifen nicht.

5) Was Sie jetzt konkret tun können – und wie wir Sie unterstützen

Halten Sie alles fest: Datum der Entdeckung, Fotos/Videos, Feuchtemessungen, E-Mails, Aussagen von Handwerkern oder Nachbarn. Rügen Sie den Mangel schriftlich und nachweislich (Einschreiben). Parallel prüfen wir für Sie Vertrag, Exposé, Protokolle und die einschlägigen Klauseln („wie besichtigt“, Haftungsausschluss).

Auf dieser Basis entwickeln wir eine Strategie: schnelle Verbesserung und Preisminderung, gezielte Vergleichsverhandlungen – oder, wenn nötig, Anfechtung und Klage. Wir behalten Ihre Fristen im Blick: 3 Jahre Gewährleistung bei Immobilien + 3-Monats-Klagefrist, 3 Jahre Schadenersatz ab Kenntnis (max. 30 Jahre), 3 Jahre/30 Jahre bei Irrtum/List.

Die 7 wichtigsten Schritte, wenn nach dem Kauf Mängel auftauchen

So strukturieren Sie Ihren Fall – und verlieren keine Fristen.

1

Beweise sichern

Fotos/Videos, Messwerte, Zeugen, Hausverwaltung ansprechen; alles datieren.

2

Mangel schriftlich rügen

Einschreiben/E-Mail mit Zustellnachweis; konkreter Mangel, Frist zur Verbesserung.

3

Vertrag & Klauseln prüfen

„Wie besichtigt“, Haftungsausschluss, Exposé/Protokolle; Verbraucher vs. Privatverkauf.

4

Anspruchsweg wählen

Gewährleistung (Verbesserung/Preisminderung) – zusätzlich Schadenersatz bei Verschulden; Anfechtung bei Irrtum/List.

5

Gutachten steuern

Fragenkatalog definieren; Kausalität & Kosten beziffern; Vergleichsfähigkeit schaffen.

6

Vergleich verhandeln

Preisminderung/Verbesserung dokumentieren; Verjährungshemmung und Anerkenntnisse sauber regeln.

7

Fristen sichern

Klagefrist & Verjährung im Blick behalten (3 J. + 3 Mon.; 3 J./30 J.; 3 J./30 J.).

Tipp: Für B2B-Konstellationen zusätzlich an die Rügeobliegenheit (§ 377 UGB) denken.

Fazit

Wir verbinden beweisgestützte Strategie mit klarem wirtschaftlichem Zielbild: Wo bringt Gewährleistung rasch ein greifbares Ergebnis? Wo macht Schadenersatz für Folgekosten den Unterschied? Und in welchen Fällen ist die Anfechtung der größere Hebel? Unsere Mandanten profitieren von Prozesserfahrung, einem eingespielten Sachverständigen-Netzwerk und konsequenter Fristensteuerung. So wird aus einem Mängelfall ein beherrschbares Projekt – mit echtem Ergebnis.

Wann gilt das BTVG in Österreich – und wann nicht?

Eine Baustelle am Abend
Eine Baustelle am Abend

Wann gilt das BTVG in Österreich – und wann nicht?

Das österreichische Bauträgervertragsgesetz (BTVG) soll ein ganz konkretes Risiko ausschalten: Geld fließt, das Haus oder die Wohnung ist aber noch nicht fertig. Ob das Gesetz greift, entscheidet sich an wenigen, klaren Fragen: Geht es um ein noch zu errichtendes oder durchgreifend zu erneuerndes Objekt? Wird vor Fertigstellung bezahlt – und zwar mehr als 150 €/m²? Und gibt es Konstellationen, in denen getrennte Verträge wirtschaftlich zusammengehören? Dieser Beitrag führt Sie Schritt für Schritt durch die Abgrenzung – mit Praxisbeispielen und Sofort-Checks.

Der Kern in einem Satz

Das BTVG gilt immer dann, wenn Sie vor Fertigstellung eines zu errichtenden oder durchgreifend zu erneuernden Objekts mehr als 150 €/m² Nutzfläche bezahlen – und zwar auch dann, wenn Zahlungen an Dritte fließen (etwa für vom Bauträger vorgegebene Sonder- oder Zusatzleistungen). Diese Einbeziehung verhindert „Umgehungsmodelle“ durch vorgeschaltete Professionisten oder Nebenkosten.

„Durchgreifende Erneuerung“ greifbar gemacht

Der Gesetzestext definiert den Begriff nicht, die Rechtsprechung aber sehr plastisch: Von einer durchgreifenden Erneuerung ist auszugehen, wenn die Arbeiten in einer Bauphase ansetzen, die ungefähr dem Stadium „Rohbau mit Dach“ entspricht; alternativ genügt es, wenn die Sanierungs-/Umbaukosten zumindest 50 % der Neubaukosten erreichen. Schon eines der beiden Kriterien reicht aus. Damit fallen auch große Altbau-Sanierungen in den BTVG-Schutz, sobald zusätzlich die Schwelle von 150 €/m² überschritten wird.

Getrennte Verträge – trotzdem BTVG: die „wirtschaftliche Einheit“

Oft werden Grundstückskauf und Bauvertrag bei unterschiedlichen Vertragspartnern abgeschlossen. Das BTVG schaut auf die wirtschaftliche Realität: Bilden diese Verträge eine Einheit, gilt das Gesetz dennoch. Eine wirtschaftliche Einheit liegt vor, wenn Grundstücksveräußerer und Errichter organisatorisch zusammenwirken und das Projekt „aus einem Guss“ am Markt anbieten; entscheidend ist, ob Käufer:innen faktisch beide oder keinen Vertrag abschließen können. Gleichzeitig hat der OGH klargestellt: Der bloße Grundstücksverkäufer wird dadurch nicht automatisch zum (Mit-)Bauträger mit Sicherungs- und Rückzahlungspflichten.

Typische Abgrenzungen

Das ist der BTVG-Lehrbuchfall. Sobald die 150 €/m² überschritten sind, sind Sicherungsmodell, Mindestinhalte und Treuhandabwicklung zwingend zu beachten.

Erreicht die Sanierung die „Rohbau-mit-Dach“-Phase oder mindestens die Hälfte der Neubaukosten und leisten Erwerber:innen vor Fertigstellung entsprechende Zahlungen, greift das BTVG – samt Sicherungspflichten.

Lassen Sie auf eigenem Grundstück ein Haus errichten (klassischer GU-/Werkvertrag), fehlt der Rechtserwerb vom Bauträger – das BTVG ist nicht anwendbar.

Bleibt vor Fertigstellung kein (oder nur ein unter der Schwelle liegender) Zahlungsfluss, fehlt die zentrale Anknüpfung – das BTVG greift nicht.

Neues aus der Rechtsprechung: Optionsentgelt und Mietkauf

Aktuell hat der OGH ausdrücklich entschieden: Ein entgeltlicher Optionsvertrag auf den Erwerb von (Wohnungs-)Eigentum ist ein Bauträgervertrag im Sinn des BTVG. Wird ein Optionsentgelt vor Fertigstellung kassiert (über der 150 €/m²-Schwelle), unterliegt es der Sicherungspflicht – fehlt die Sicherung, kann das Entgelt zurückverlangt werden. Damit ist klar: Auch „Miet-Kauf“-Modelle mit Vorleistungen fallen in den Schutzbereich.

Was genau zählt in die 150 €/m² hinein?

Nicht nur Kaufpreisanteile. Gesetzlich umfasst sind auch Zahlungen an Dritte, sofern sie vom Bauträger angeboten oder vorgegeben sind – also z. B. vom Bauträger orchestrierte Sonder-/Zusatzleistungen. In der Praxis werden darunter häufig auch Nebenkosten subsumiert, wenn sie Teil der vorgegebenen Leistungskette sind. Entscheidend ist stets die Vorgabe durch den Bauträger; so lässt sich die „Flucht aus dem BTVG“ vermeiden.

Was bedeutet „zwingend“ – und für wen?

Das BTVG gilt unabhängig davon, ob der Erwerber Verbraucher:in oder Unternehmer:in ist. Zugunsten von Verbraucher:innen ist es aber zwingend – nachteilige Abweichungen sind unzulässig. Im reinen B2B-Setting lässt das Gesetz in Teilbereichen Vertragsfreiheit zu; ob und inwieweit Abweichungen sinnvoll sind, ist eine Frage des Projektrisikos und der Verhandlungsposition.

Quick-Check zur Anwendbarkeit

Stellen Sie sich drei Fragen:

(1) Erwerbe ich ein Recht an einem zu errichtenden oder durchgreifend zu erneuernden Objekt?

(2) Leiste ich vor Fertigstellung mehr als 150 €/m² – direkt oder mittelbar über Dritte?

(3) Gibt es getrennte, aber wirtschaftlich zusammengehörige Verträge (Grund + Bau)?

Wenn Sie zwei- oder dreimal mit „Ja“ antworten, sollten Sie das Projekt BTVG-sicher strukturieren – wir übernehmen das.

Fazit

Das BTVG ist kein Formalismus, sondern ein Schutzschirm für Vorauszahlungen. Wer frühzeitig klärt, ob es greift, spart spätere Auseinandersetzungen – insbesondere bei Altbausanierungen, Paketlösungen (Grund + Bau) und Miet-Kauf-Modellen. Entscheidend sind die 150 €/m², der Bauzustand („Rohbau mit Dach“ bzw. ≥ 50 % der Neubaukosten) und die wirtschaftliche Einheit.

Kontaktrecht durchsetzen in Österreich: rechtliche Möglichkeiten

Eltern stehen mit ihrem Kind am Strand
Eltern stehen mit ihrem Kind am Strand

Kontaktrecht durchsetzen in Österreich: rechtliche Möglichkeiten

Kontakt mit beiden Eltern ist ein Grundrecht – und zwar für Eltern und Kinder. Doch was, wenn Abhol- und Bringzeiten nicht eingehalten werden oder ein Elternteil das vereinbarte Kontaktrecht blockiert? Dieser Beitrag erklärt verständlich, auf welcher Rechtsgrundlage Gerichte Zwangsmittel einsetzen, wie weit diese gehen (von Geldstrafe bis Beugehaft), wann sie nicht zulässig sind und was Sie praktisch tun können, damit ein Kontaktrecht wirksam gelebt wird.

Das Wichtigste vorweg: Kontaktrecht ist eigenständig – auch neben der Obsorge

Unabhängig davon, wer die Obsorge hat, haben beide Elternteile und das Kind ein gesetzlich geschütztes Recht, einander zu sehen. Können sich die Eltern nicht einigen, setzt das Gericht eine konkrete Regelung fest (Tage, Zeiten, Übergaben, Ferien). Auch Dritte – insbesondere Großeltern – können ein (dem Kindeswohl entsprechendes) Kontaktrecht haben.

Ab dem 14. Geburtstag darf ein Kind nicht mehr gegen seinen Willen zum Kontakt gezwungen werden; es kann zudem selbst Anträge in Kontaktrechtsfragen stellen.

Wenn Absprachen scheitern: Rechtsgrundlage für Zwangsmittel

Die zwangsweise Durchsetzung einer gerichtlichen oder gerichtlich genehmigten Kontaktrechts-Regelung erfolgt nicht über die Exekutionsordnung, sondern über das Außerstreitverfahren (§ 110 AußStrG). Das Gericht kann und muss dabei angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG anordnen – auf Antrag oder von Amts wegen. Unmittelbarer Zwang darf ausschließlich durch Gerichtsorgane erfolgen (unter Beiziehung der Sicherheitsbehörden).

Welche Zwangsmittel gibt es konkret?

Das Gesetz nennt insbesondere Geldstrafen, Beugehaft (bei unvertretbaren Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen; insgesamt max. ein Jahr), zwangsweise Vorführung sowie weitere Maßnahmen (z. B. Abnahme von Urkunden). Welche Mittel gewählt werden, entscheidet das Gericht nach den Umständen des Einzelfalls.

Wozu dienen Zwangsmittel – Strafe oder Hebel?

Zwangsmittel im Kontaktrecht bestrafen nicht vergangenes Fehlverhalten. Sie sollen bewirken, dass das Kontaktrecht künftig tatsächlich stattfindet. Deshalb sind solche Maßnahmen z. B. unzulässig, wenn die Leistung objektiv unmöglich geworden ist. Gerichte dürfen Zwangsmittel auch gegen den betreuenden Elternteil einsetzen und verlangen von ihm, alles Zumutbare zu tun, damit das Kind pünktlich am Übergabeort ist – selbst wenn das Kind (noch) nicht will.

OGH 6 Ob 54/24w: Geldstrafe bleibt – auch wenn später neu geregelt wird

Der Oberste Gerichtshof (18. 6. 2024) hat klargestellt: Wird eine Geldstrafe zur Durchsetzung eines aufrechten Kontaktrechts verhängt, fällt sie nicht automatisch weg, nur weil später das Kontaktrecht neu geregelt wird. Eine Ausnahme besteht dann, wenn zeitgleich mit der Entscheidung über das Zwangsmittel eine neue Kontaktrechtsregelung rechtskräftig festgelegt wird, die die alte Regelung wesentlich ersetzt. Hintergrund: Zwangsmittel sollen dem künftigen Vollzug dienen – würden sie bei späteren Anpassungen stets aufgehoben, würde das die Durchsetzung zulasten des Kindeswohls schwächen.

Häufige Fragen aus der Praxis – knapp beantwortet

Dokumentieren Sie den Ausfall (Datum, Uhrzeit, Ort, ggf. Zeugen/Chats) und stellen Sie rasch beim zuständigen Gericht einen Antrag auf zwangsweise Durchsetzung der bestehenden Regelung (§ 110 AußStrG). Das Gericht kann Geldstrafen verhängen und weitere Zwangsmittel anordnen.

Ja. Behauptete Hinderungsgründe müssen belegt werden. Unbewiesene Entschuldigungen reichen nicht; das hat der OGH im Zusammenhang mit einer behaupteten Erkrankung ausdrücklich betont.

Ja. Solange die alte Regelung gilt, ist sie einzuhalten. Wird gleichzeitig mit der Entscheidung über das Zwangsmittel eine neue Regelung rechtskräftig getroffen, ist die frühere nicht mehr durchzusetzen – andernfalls bleibt das Zwangsmittel zulässig.

Ja. § 110 Abs 2 AußStrG erlaubt Maßnahmen von Amts wegen. Zusätzlich kann das Gericht Hilfestellen (Kinder- und Jugendhilfe, Familiengerichtshilfe) beiziehen.

Unmittelbaren Zwang darf ausschließlich das Gericht ausüben; es kann dafür die Sicherheitsorgane beiziehen.

Großeltern können – wenn es dem Kindeswohl entspricht – ein eigenes Kontaktrecht haben; dessen Umfang und Durchsetzung richten sich ebenfalls nach den genannten Grundsätzen.

Fazit

Im Idealfall vereinbaren Eltern eine klare, schriftliche Kontaktregelung mit konkreten Zeiten und Übergabeorten. Bleibt die Einigung aus, schafft das Gericht eine verbindliche Regelung. Bei Verstößen: Beweise sichern, zeitnah den Antrag auf Durchsetzung stellen, realistische Anpassungen der Regelung beantragen, wenn sich Umstände ändern (Schule, Arbeitszeiten, Entfernungen). Wichtig: Auch während eines Änderungsverfahrens ist die alte Regelung grundsätzlich einzuhalten – sonst drohen Zwangsmittel.