Ein Haufen von Paragrafen mit einem blauen Paragrafen in der Mitte

Gewährleistung, Schadenersatz oder Anfechtung? – Wie Immobilienkäufer in Österreich ihre Ansprüche richtig durchsetzen

Sie haben eine Wohnung oder ein Haus gekauft – und erst nach der Übergabe tauchen Probleme auf: Feuchtigkeit hinter der Dämmung, eine fehlende Baubewilligung, eine überraschende Dienstbarkeit. In kurzer Zeit müssen Sie entscheiden, welcher Rechtsweg der richtige ist: Gewährleistung, Schadenersatz oder Anfechtung wegen Irrtums bzw. arglistiger Täuschung. In diesem Beitrag erklären wir – klar, ohne Juristendeutsch – wann welcher Weg sinnvoll ist, welche Fristen gelten, und wie Sie Ihre Beweise so sichern, dass Ihre Ansprüche Chancen haben.

Auf einen Blick: Welcher Weg passt zu Ihrem Fall?

Die drei wichtigsten Anspruchswege beim Immobilienkauf – jeweils mit Zweck, Einstiegsvoraussetzungen und Fristen.

Primär
Gewährleistung
Frist: 3 Jahre ab Übergabe (+ 3 Monate Klage)
  • Ziel: Mangel beheben oder Preis mindern; Auflösung nur bei nicht bloß geringfügigem Mangel.
  • Voraussetzung: Mangel war bei Übergabe vorhanden (Sach- oder Rechtsmangel).
  • Beweis: Dokumentation, Gutachten, Übergabeprotokoll.
  • Hinweis: „Wie besichtigt“ deckt verdeckte Mängel nicht automatisch.

Ideal bei reinen Sachmängeln, wenn schnelle Verbesserung möglich ist.

Bei Verschulden
Schadenersatz
Frist: 3 Jahre ab Kenntnis (max. 30 Jahre)
  • Ziel: Ersatz von Folgeschäden (z. B. Mietausfall, Hotelkosten, Gutachten).
  • Voraussetzung: Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit, Verschulden.
  • Neben/anstelle: Kann neben oder statt Gewährleistung geltend gemacht werden.
  • Taktik: Zuerst Nacherfüllung verlangen, dann Folgeschäden beziffern.

Sinnvoll, wenn der Verkäufer Mängel kannte oder hätte kennen müssen.

Reset
Anfechtung (Irrtum/List)
Frist: 3 Jahre (Irrtum) / 30 Jahre (List)
  • Ziel: Rückabwicklung ex tunc oder Vertragsanpassung.
  • Irrtum: Vertrag wäre ohne Irrtum nicht geschlossen worden (z. B. Widmung).
  • List: Täuschung/Verschweigen; Ausschlussklauseln greifen nicht.
  • Praxis: Parallel Gewährleistung/Schadenersatz prüfen.

Der stärkste Hebel, wenn Sie sonst nie gekauft hätten.

1) Gewährleistung: die erste Adresse bei Sach- und Rechtsmängeln

Gewährleistung bedeutet: Der Verkäufer haftet dafür, dass die Immobilie bei Übergabe den vereinbarten oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften entspricht. Weicht die Realität davon ab, liegt ein Mangel vor. Rechtlich stützt sich das auf § 922 ABGB.

Bei Immobilien beträgt die Gewährleistungsfrist drei Jahre ab Übergabe. Für Rechtsmängel (z. B. ein unerwartetes Wegerecht) läuft die Frist ab Kenntnis des Käufers. Außerdem gibt es eine dreimonatige Klagefrist: Nach Ende der Gewährleistungsfrist haben Sie noch drei Monate, um Ihre Gewährleistungsrechte gerichtlich geltend zu machen. Diese Details stehen ausdrücklich in § 933 ABGB.

Was bekommen Sie über Gewährleistung? Primär die Verbesserung (Nachbesserung), subsidiär Preisminderung oder – wenn der Mangel nicht bloß geringfügig ist – Vertragsauflösung.

Beispiel

Hinter frisch verputzten Wänden tritt wenige Wochen nach Übergabe Feuchtigkeit auf. Hier ist Gewährleistung der natürliche Startpunkt: Sie fordern Verbesserung; scheitert diese oder ist sie unzumutbar, kommt Preisminderung oder Auflösung in Betracht.

Ein häufiger Irrtum betrifft „wie besichtigt“-Klauseln oder pauschale Gewährleistungsausschlüsse bei Privatkäufen. Der OGH hat 2023 klargestellt: Ein solcher Ausschluss deckt verdeckte Mängel, die bei sorgfältiger Besichtigung nicht erkennbar waren, nicht automatisch mit ab – insbesondere, wenn der Ausschluss mit dem Hinweis auf die Besichtigung verknüpft ist (1 Ob 79/23h).

Im Verbrauchergeschäft (Unternehmer → Verbraucher) gilt zusätzlich: Gewährleistung kann vor Kenntnis des Mangels nicht ausgeschlossen werden (§ 9 KSchG). Das ist zwingendes Recht – ein vertraglicher Ausschluss wäre unwirksam.

2) Schadenersatz: wenn mehr verlangt wird als bloße Mängelbehebung

Schadenersatz setzt Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden voraus. Der entscheidende Vorteil: Sie können Folgeschäden ersetzt verlangen – etwa Hotelkosten während der Sanierung, Mietausfälle oder Gutachterkosten. Das ABGB erlaubt ausdrücklich die Konkurrenz von Gewährleistung und Schadenersatz (§ 933a ABGB): Bei Verschulden des Verkäufers kann neben oder statt Gewährleistung Schadenersatz verlangt werden; primär ist aber auch hier zunächst die Verbesserung geschuldet.

Für Schadenersatzansprüche gilt die dreijährige Verjährungsfrist ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, längstens 30 Jahre (allgemeine Verjährungsnorm des § 1489 ABGB).

Beispiel

Der Verkäufer wusste (E-Mail liegt vor) von einer undichten Dachhaut, schwieg dazu aber bei Vertragsverhandlungen. Neben Gewährleistung können Sie Schadenersatz für Folgeschäden am Parkett und Nutzungsausfall geltend machen.

3) Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung: der „Reset“

Irrtumsanfechtung (§ 871 ABGB) greift, wenn Sie sich in einem wesentlichen Irrtum befanden – also den Vertrag ohne den Irrtum nicht geschlossen hätten (z. B. Sie gingen von einer Wohnwidmung aus, tatsächlich ist nur Büro zulässig). In solchen Fällen kann der Vertrag ex tunc beseitigt oder an die Realität angepasst werden.

Arglistige Täuschung (§ 870 ABGB) liegt vor, wenn der Verkäufer bewusst falsche Tatsachen propagiert oder aufklärungspflichtige Umstände verschweigt und Sie dadurch zum Vertragsabschluss bringt. Bei List sind Gewährleistungsausschlüsse wirkungslos; Sie können anfechten und daneben Schadenersatz begehren. Die Rechtsprechung umschreibt List seit Jahren als „rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung“ – auch durch Verschweigen bei bestehender Aufklärungspflicht.

Irrtum ist grundsätzlich binnen drei Jahren ab Vertragsabschluss geltend zu machen; List unterliegt einer langen – 30-jährigen – Verjährung.

Beispiel

Im Dachgeschoss wurde ohne Baubewilligung ausgebaut; der Verkäufer wusste davon und hielt die Information zurück. Hier kommt Anfechtung wegen List (mit 30-jähriger Frist) in Betracht – parallel zu Gewährleistung/Schadenersatz.

4) Wie wählen Sie den richtigen Weg – ohne Zeit zu verlieren?

Beginnen Sie bei reinen Sachmängeln typischerweise mit Gewährleistung: schriftlich rügen, Verbesserung verlangen und Fristen konsequent verfolgen. Verdichten sich Hinweise auf Verschulden (z. B. E-Mails, Protokolle, Prospektaussagen), ergänzen Sie Schadenersatz – gerade für Folgekosten. Wenn Sie hingegen nie gekauft hätten, weil eine wesentliche Grundlage nicht stimmte (Widmung, fehlende Bewilligung, verschwiegenes Wohnrecht), prüfen wir mit Ihnen die Irrtumsanfechtung bzw. List als stärksten Hebel.

Achten Sie auf die Formalia: In reinen B2B-Konstellationen kann zusätzlich die Rügeobliegenheit des § 377 UGB scharf wirken – Mängel müssen binnen angemessener Frist angezeigt werden, sonst droht der Verlust von Gewährleistungs- und Schadenersatzrechten. Für Konsumenten gilt diese strenge Obliegenheit nicht.

Fristen & Deadlines im Überblick

Merken Sie sich die Startpunkte – sie entscheiden oft über „gewonnen oder verloren“.

Gewährleistung

Sachmängel (Immobilie)

3 Jahre ab Übergabe

Danach + 3 Monate Klagefrist.

Gewährleistung

Rechtsmängel

3 Jahre ab Kenntnis

Z. B. unerwartete Dienstbarkeit/Wohnrecht.

Schadenersatz

Verschulden des Verkäufers

3 Jahre ab Kenntnis (max. 30 J.)

Ersatz von Folgeschäden (Mietausfall, Gutachten …).

Anfechtung

Irrtum (§ 871 ABGB)

3 Jahre ab Vertragsschluss

Rückabwicklung oder Vertragsanpassung.

Anfechtung

List (§ 870 ABGB)

30 Jahre

Ausschlussklauseln greifen nicht.

5) Was Sie jetzt konkret tun können – und wie wir Sie unterstützen

Halten Sie alles fest: Datum der Entdeckung, Fotos/Videos, Feuchtemessungen, E-Mails, Aussagen von Handwerkern oder Nachbarn. Rügen Sie den Mangel schriftlich und nachweislich (Einschreiben). Parallel prüfen wir für Sie Vertrag, Exposé, Protokolle und die einschlägigen Klauseln („wie besichtigt“, Haftungsausschluss).

Auf dieser Basis entwickeln wir eine Strategie: schnelle Verbesserung und Preisminderung, gezielte Vergleichsverhandlungen – oder, wenn nötig, Anfechtung und Klage. Wir behalten Ihre Fristen im Blick: 3 Jahre Gewährleistung bei Immobilien + 3-Monats-Klagefrist, 3 Jahre Schadenersatz ab Kenntnis (max. 30 Jahre), 3 Jahre/30 Jahre bei Irrtum/List.

Die 7 wichtigsten Schritte, wenn nach dem Kauf Mängel auftauchen

So strukturieren Sie Ihren Fall – und verlieren keine Fristen.

1

Beweise sichern

Fotos/Videos, Messwerte, Zeugen, Hausverwaltung ansprechen; alles datieren.

2

Mangel schriftlich rügen

Einschreiben/E-Mail mit Zustellnachweis; konkreter Mangel, Frist zur Verbesserung.

3

Vertrag & Klauseln prüfen

„Wie besichtigt“, Haftungsausschluss, Exposé/Protokolle; Verbraucher vs. Privatverkauf.

4

Anspruchsweg wählen

Gewährleistung (Verbesserung/Preisminderung) – zusätzlich Schadenersatz bei Verschulden; Anfechtung bei Irrtum/List.

5

Gutachten steuern

Fragenkatalog definieren; Kausalität & Kosten beziffern; Vergleichsfähigkeit schaffen.

6

Vergleich verhandeln

Preisminderung/Verbesserung dokumentieren; Verjährungshemmung und Anerkenntnisse sauber regeln.

7

Fristen sichern

Klagefrist & Verjährung im Blick behalten (3 J. + 3 Mon.; 3 J./30 J.; 3 J./30 J.).

Tipp: Für B2B-Konstellationen zusätzlich an die Rügeobliegenheit (§ 377 UGB) denken.

Fazit

Wir verbinden beweisgestützte Strategie mit klarem wirtschaftlichem Zielbild: Wo bringt Gewährleistung rasch ein greifbares Ergebnis? Wo macht Schadenersatz für Folgekosten den Unterschied? Und in welchen Fällen ist die Anfechtung der größere Hebel? Unsere Mandanten profitieren von Prozesserfahrung, einem eingespielten Sachverständigen-Netzwerk und konsequenter Fristensteuerung. So wird aus einem Mängelfall ein beherrschbares Projekt – mit echtem Ergebnis.