Eine Person überreicht einer anderen Person ein Geschenk

Wie beeinflusst die Rückgängigmachung von Schenkungen in Österreich das Erbe?

Wer zu Lebzeiten Vermögen verschenkt, kann die spätere Pflichtteilsberechnung massiv beeinflussen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat nun präzisiert, was passiert, wenn eine Schenkung später einvernehmlich rückgängig gemacht wird: Muss diese Zuwendung dennoch dem Nachlass „hinzugerechnet“ werden – oder gilt sie pflichtteilsrechtlich als nie erfolgt? Dieser Beitrag erklärt die Grundbegriffe, ordnet die aktuelle Rechtsprechung ein und beantwortet typische Praxisfragen klar und verständlich.

Pflichtteil, Hinzurechnung und Anrechnung: die Grundlagen klar erklärt

Der Pflichtteil schützt nahe Angehörige davor, im Erbfall leer auszugehen. Er beträgt grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils – unabhängig davon, was im Testament steht. Damit der Pflichtteil nicht durch großzügige Lebzeitgeschenke „ausgehöhlt“ wird, kennt das österreichische Erbrecht die Hinzurechnung: Wertmäßig werden Schenkungen des Erblassers dem Nachlass zugerechnet, so als wäre das Verschenkte beim Tod noch vorhanden. Auf dieser – künstlich vergrößerten – Basis wird der Pflichtteil berechnet. Anschließend wirkt die Anrechnung beim Beschenkten: Wer zu Lebzeiten schon erhalten hat, muss sich das auf den eigenen Pflichtteil gegenrechnen lassen.

Zur Orientierung: Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte werden für die Pflichtteilsberechnung grundsätzlich immer berücksichtigt; Zuwendungen an Nicht-Pflichtteilsberechtigte sind – vereinfacht – nur in einem zeitlich engeren Rahmen relevant. Dieser Grundmechanismus dient einem Ziel: gerechte Pflichtteilsquoten trotz Vermögensverschiebungen zu Lebzeiten.

Pflichtteil: So wird gerechnet

1
Nachlass ermitteln

Aktiver Nachlass minus Schulden zum Todeszeitpunkt.

2
Hinzurechnung

Lebzeitige Zuwendungen werden rechnerisch hinzugerechnet, als wären sie noch vorhanden.

3
Pflichtteilsquote

Pflichtteil = ½ des gesetzlichen Erbteils (z. B. Kind).

4
Anrechnung

Was ein Pflichtteilsberechtigter zu Lebzeiten erhalten hat, wird auf seinen Pflichtteil gegengerechnet.

Merksatz: Hinzurechnung vergrößert nur die Rechengrundlage; ausgezahlt wird am Ende nur der Pflichtteil abzüglich bereits Erhaltenem.

Die Leitlinie des OGH: Einvernehmliche Rückgängigmachung neutralisiert die Schenkung

Die bislang offene Frage: Was gilt, wenn eine Schenkung später im Einvernehmen rückabgewickelt wird und der Vermögensgegenstand tatsächlich zum Erblasser zurückkehrt? Der OGH beantwortet das in seiner Entscheidung 2 Ob 51/25a vom 26. Juni 2025 eindeutig: Kommt der Vermögenswert vor dem Tod an den Schenker zurück, besteht kein Anlass für eine Hinzurechnung. Der Nachlass ist durch die – faktisch aufgehobene – Schenkung nicht geschmälert, eine doppelte Berücksichtigung derselben Werte ist ausgeschlossen. Die Rückübertragung stellt hier keine „neue“ Schenkung dar, sondern neutralisiert die frühere Zuwendung.

Praxisrelevanter Zusatz des Gerichts: Auch unentgeltliche Erbausschlagungen können zwar grundsätzlich Schenkungen sein – pflichtteilsrechtlich ändert das aber am Ergebnis nichts, wenn der Vermögenswert wieder beim Erblasser landet. Dann wird so gerechnet, als hätte es die frühere Schenkung nie gegeben.

Was bedeutet das für typische Situationen?

In der Regel nein, sofern die Rückübertragung im Einvernehmen erfolgte und der Vermögensgegenstand vor dem Todesfall des Schenkers tatsächlich wieder in dessen Eigentum stand. Dann entfällt die Hinzurechnung – und damit auch eine Anrechnung beim vormals Beschenkten.

Nach dem OGH nicht – sie hebt die ursprüngliche Zuwendung pflichtteilsrechtlich auf. Eine Doppelberücksichtigung (erst Hinzurechnung wegen der ersten Schenkung, dann nochmals wegen der Rückgabe) ist unzulässig.

Nein. Entscheidend ist, dass der Vermögenswert wirklich zurückkehrt. Ohne tatsächliche Rückübertragung bleibt die ursprüngliche Schenkung hinzurechnungs- und ggf. anrechnungspflichtig.

Dann kann der verkürzte Pflichtteilsberechtigte den Geschenknehmer in Anspruch nehmen (sog. Geschenknehmerhaftung). Mehrere Geschenknehmer haften anteilig nach dem Wert ihrer Geschenke; gesichert ist die Haftung primär mit der geschenkten Sache.

Konkrete Orientierung für die Praxis

Wenn Sie eine frühere Schenkung zurückdrehen möchten – etwa weil sich Lebensumstände geändert haben –, achten Sie auf klare Dokumentation und rechtliche Sauberkeit:

Vereinbaren Sie schriftlich, dass die Schenkung aufgehoben und der Gegenstand rückübertragen wird. Entscheidend ist die tatsächliche Rückübertragung (z. B. Grundbuchseintragung bei Liegenschaften). Das schützt im Erbfall vor unnötiger Hinzurechnung.

Die Rückübertragung sollte rechtzeitig vor dem Todesfall erfolgt sein. Nur dann gilt pflichtteilsrechtlich die „Neutralisierung“.

Planen Sie Schenkungen stets mit den Pflichtteilsquoten im Hinterkopf. Als Faustregel gilt: Der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wer Lebzeitgeschenke verteilt, sollte die Hinzurechnungssystematik kennen – und bei Bedarf vertragliche Anrechnungsabreden treffen.

Für spätere Auseinandersetzungen ist es hilfreich, die Motivation und den Ablauf der Rückabwicklung festzuhalten (z. B. Protokoll, Notariatsakt, Übergabe-/Übernahmeschein).

Checkliste: Rückabwicklung einer Schenkung

Einvernehmliche Vereinbarung

Schriftlich festhalten, dass die Schenkung aufgehoben und der Gegenstand rückübertragen wird.

Tatsächliche Übertragung

Bei Liegenschaften Grundbuchseintragung; bei Konten/Wertpapieren Umbuchung; bei beweglichen Sachen Übergabe dokumentieren.

Zeitpunkt beachten

Rückübertragung vor dem Todesfall des Schenkers abschließen, damit keine Hinzurechnung erfolgt.

Beweise & Nachweise

Notariatsakt/Vertrag, Übergabeprotokolle, Zahlungsflüsse und Grundbuchsauszüge geordnet ablegen.

Pflichtteilswirkung prüfen

Anrechnungsabreden dokumentieren; Auswirkungen auf Pflichtteilsberechtigte mitbedenken.

Steuern & Gebühren

Grunderwerbsteuer, Eintragungsgebühr oder Gebührenbefreiungen ggf. mit dem Steuerberater klären.

Praxis-Tipp: Klare, lückenlose Dokumentation verhindert Streit und macht die „Neutralisierung“ der Schenkung im Pflichtteilsrecht belegbar.

Beispiel zur Veranschaulichung (stark vereinfacht)

A verschenkt 2010 ein Haus an Kind B. 2015 einigen sich beide, die Schenkung aufzuheben; B überträgt das Eigentum im Grundbuch zurück an A. A verstirbt 2025. Bei der Pflichtteilsberechnung wird das Haus nicht hinzugerechnet – so als wäre es nie verschenkt worden. Der Nachlass ist insoweit unverändert, der Pflichtteil bemisst sich ohne diese frühere Zuwendung.

Fazit

Einvernehmlich rückgängig gemachte Schenkungen werden pflichtteilsrechtlich nicht hinzugerechnet, wenn der Vermögensgegenstand vor dem Tod zum Erblasser zurückkehrt. Wer rechtzeitig und sauber rückabwickelt, schafft Rechtssicherheit und vermeidet Streit und rechtliche Konflikte.