Rechtsanwalt analysiert Zahlen und Daten

Aufteilungsverfahren mit Unternehmen: Was Unternehmer bei der Scheidung in Österreich wirklich wissen müssen

Eine Scheidung ist mehr als ein privates Zerwürfnis – sie kann zur Existenzfrage werden, wenn ein Unternehmen im Spiel ist. Die gute Nachricht: In Österreich sind Unternehmen und echte Unternehmerbeteiligungen weitgehend bestands­geschützt. Die schlechte: Dividenden, „stille“ Investments oder gemischt genutzte Vermögenswerte können sehr wohl in die Aufteilung fallen – oft mit hohem Streitwert. Dieser Leitfaden erklärt klar, was wirklich zählt, und zeigt Schritt für Schritt, wie Sie teure Fehler vermeiden.

1) Was wird überhaupt aufgeteilt – und was nicht? (§§ 81–82 EheG)

Aufgeteilt werden nur das eheliche Gebrauchsvermögen (z. B. Hausrat/Ehewohnung) und eheliche Ersparnisse (Wertanlagen, die während der Ehe angespart wurden). Vom Gesetz ausdrücklich ausgenommen sind u. a. Sachen, die zu einem Unternehmen gehören, sowie Unternehmensanteile – außer es handelt sich bloß um eine Wertanlage.

Kernaussage: Das operative Unternehmen (inkl. notwendiger Betriebsmittel) wird nicht „entzwei geteilt“.

2) Unternehmensanteile: Beteiligung oder bloße Wertanlage?

Entscheidend ist, ob Sie maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen haben bzw. die Beteiligung der unternehmerischen Tätigkeit dient. Reine Kapitalanlagen (z. B. kleine, passive Beteiligungen) gelten als eheliche Ersparnisse und sind aufteilbar. Praxisleitlinie: Einfluss = bestandsgeschützt; bloße Wertanlage = aufteilbar.

„Beteiligung oder bloße Wertanlage?“ – 60-Sekunden-Check

Unternehmerbeteiligung (typisch ausgenommen)

  • Stimmrechte & tatsächlicher Einfluss (GF, Vorstand, Beirat)
  • Arbeits- oder Geschäftsführerleistung für die Gesellschaft
  • Gewinne überwiegend im Unternehmen belassen (thesauriert)
  • Beteiligung für die Berufsausübung erforderlich

Bloße Wertanlage (typisch aufteilbar)

  • Kleine, passive Streubeteiligung ohne Einfluss
  • Regelmäßige Ausschüttungen landen privat
  • Kein Funktions-/Arbeitsbezug zum Unternehmen
  • „Depot-Charakter“ (Investmentgedanke)

Merksatz: Einfluss & Funktion sprechen für Bestandsschutz; reine Kapitalanlage spricht für Aufteilbarkeit.

3) Reinvestierte Gewinne, Dividenden & Kontostände

Thesaurierte (einbehaltene) Gewinne bleiben beim Unternehmen und sind nicht aufzuteilen. Erst wenn Unternehmens­erträge in Privatvermögen „umgewidmet“ werden – etwa als Dividende, die auf dem privaten Konto als Ersparnis noch vorhanden ist – können sie in die Aufteilungsmasse fallen.

4) Gemischte Nutzung: Betrieb + Privat unter einem Dach

Bei teilweise unternehmerisch genutzten Liegenschaften ist der betriebliche Teil von der Aufteilung ausgeschlossen, der private Anteil kann aber zu teilen sein. Hier kommt es auf die Widmung und die Verkehrsauffassung an – sorgfältige Beweisführung zahlt sich aus.

5) Fristalarm: Die 1-Jahres-Präklusivfrist (§ 95 EheG)

Der Anspruch auf Aufteilung erlischt, wenn er nicht binnen eines Jahres ab Rechtskraft der Scheidung (oder Aufhebung/Nichtigkeit) geltend gemacht wird. Ein unbestimmter Antrag – sogar ein Verfahrenshilfeantrag „für das Aufteilungsverfahren“ – kann die Frist wahren, sofern das Verfahren gehörig fortgesetzt wird.

Die 1-Jahres-Präklusivfrist (§ 95 EheG) auf einen Blick

Rechtskraft Scheidung (T0)T0 + 12 Monate

Start: Rechtskraft

Mit Rechtskraft beginnt die Einjahresfrist für den Aufteilungsantrag zu laufen.

Fristwahrende Handlungen

Unbestimmter Antrag beim Gericht oder Verfahrenshilfeantrag kann die Frist wahren – anschließend zügig konkretisieren.

Ablauf & Risiko

Nach 12 Monaten ist der Anspruch grundsätzlich präkludiert. Frist im Kanzleikalender doppelt sichern!

6) Bewertung & Beweise: So machen Sie Ihr Unternehmen „prozesstauglich“

Bewertungsschwerpunkte in Unternehmerfällen:

operativ (mit Einfluss) vs. Investment (bloße Wertanlage)

thesauriert (ausgeschlossen) vs. ausgeschüttet und noch vorhanden

klare Trennung von betrieblichen/privaten Teilen

Was am Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft tatsächlich vorhanden ist, zählt.

Unterlagen-Checkliste (Unternehmerfälle)

Gesellschafts- & Beschlussunterlagen

Gesellschaftsvertrag, Gesellschafterbeschlüsse, Vinkulierungen, Nebenabreden.

Jahresabschlüsse & Reports

Bilanzen, Anhang, Lageberichte, KZ-Berichte (mehrere Jahre).

Ertragsverwendung

Dividendenbeschlüsse, Nachweise zu Thesaurierung vs. Ausschüttung.

Konten & Cash am Stichtag

Kontoauszüge privat/betrieblich zum Ende der Lebensgemeinschaft.

Gemischte Nutzung

Miet-/Nutzungsverträge, Pläne, Flächenaufstellung (privat vs. betrieblich).

Bewertungsgrundlagen

Gutachten, Mandanteninfos für Bewertungsansatz, Peer-Daten.

7) Gesellschaftsrechtliche Stolpersteine: GmbH-Anteile übertragen

Selbst bei einvernehmlicher Lösung gilt: Die Abtretung von GmbH-Anteilen braucht einen Notariatsakt; oft ist zusätzlich eine Zustimmung der Gesellschaft (Vinkulierung) im Gesellschaftsvertrag vorgesehen. Planen Sie daher Form und Ablauf frühzeitig ein.

GmbH-Anteile in der Scheidungsfolge – Form & Ablauf

1) Einigung & Term-Sheet

Quote, Kaufpreis/Abfindung, Stichtag, Garantien, Wettbewerbsverbote.

2) Notariatsakt

Abtretungsvertrag in Notariatsaktsform (§ 76 GmbHG). Identitäts- & Vertretungsprüfung.

3) Gesellschaftszustimmung

Vinkulierung beachten – Beschluss/Anmeldung nach Gesellschaftsvertrag.

4) Firmenbuch & Vollzug

Anmeldung, Gesellschafterliste, Zahlungen/Abtretung, Nebenpflichten.

Tipp: Bei paralleler Aufteilungsvereinbarung gerichtliche Protokollierung für Vollstreckbarkeit erwägen.

9) Typische Streitpunkte mit hohem Streitwert

  • „Wertanlage vs. Unternehmerbeteiligung“ (Grenzfälle, Minderheitsbeteiligungen).

  • Dividendenfluss & Cash-Bestände am Stichtag („vorhanden“ oder im Unternehmen geblieben?).

  • Gemischte Nutzung von Liegenschaften (Abgrenzung & Quoten).

  • Fristversäumnis § 95 EheG (Anspruchsverlust!).

10) FAQ – schnell gelöst

Meist ja: Unternehmensanteile sind ausgenommen, außer sie sind bloße Wertanlage. Maßgeblicher Einfluss spricht für Ausnahmeschutz.

Thesaurierte Gewinne bleiben unternehmenszugehörig (kein Anteil), ausgeschüttete und vorhandene Dividenden können Ersparnisse sein und so geteilt werden.

Der betriebliche Teil ist ausgeschlossen, der private Anteil aufteilbar – es braucht klare Widmung/Beweise.

1 Jahr ab Rechtskraft der Scheidung. Ein unbestimmter (oder Verfahrenshilfe-)Antrag kann rechtzeitig hemmen, wenn danach sachgerecht fortgesetzt wird. 

Ja. Aufteilungsvereinbarungen sind grund­sätzlich formfrei; beachten Sie aber Formvorschriften für Immobilien und GmbH-Anteile.