Milestones of business projects

Nachehelicher Unterhalt & Unterhaltsverzicht in Österreich: Was erlaubt ist – und wo die Grenze zur Sittenwidrigkeit verläuft

Darf man im Zuge einer Trennung oder Scheidung auf Unterhalt verzichten? Und wann kippt eine Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit? Dieser Beitrag erklärt die Grundsätze des österreichischen Unterhaltsrechts zwischen Ehegatten – von der Beistandspflicht während aufrechter Ehe bis zu den Möglichkeiten (und Grenzen) eines Unterhaltsverzichts nach der Scheidung. Verständlich aufbereitet, mit Blick auf die aktuell bestätigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH).

Ehegattenunterhalt während aufrechter Ehe: Grundprinzipien

In einer bestehenden Ehe gilt der Grundsatz der gegenseitigen Beistandspflicht. Beide Partner müssen – je nach Leistungsfähigkeit – zum gemeinsamen Lebensaufwand beitragen. Wer weniger verdient oder den Haushalt führt, kann Anspruch auf Ehegattenunterhalt haben. Dieser Anspruch endet grundsätzlich mit der rechtskräftigen Auflösung der Ehe.

Nachehelicher Unterhalt: Wovon der Anspruch abhängt

Nach der Scheidung kann Unterhalt gegenüber dem Ex-Ehegatten bestehen. Im österreichischen Recht knüpft der Anspruch auf Scheidungsunterhalt maßgeblich an das Verschulden an: Trägt die potenziell unterhaltspflichtige Person das alleinige oder überwiegende Verschulden an der Scheidung, kommt ein Anspruch des anderen Teils in Betracht. Liegt kein solches überwiegendes Verschulden vor, ist ein nachehelicher Unterhaltsanspruch in der Regel nicht gegeben.

Vertragsfreiheit mit Sittenwidrigkeitskontrolle

Vom gesetzlichen Leitbild darf in gewissen Grenzen durch eine Vereinbarung abgewichen werden. Ehegatten können den Unterhalt konkretisieren, reduzieren oder auch erhöhen. Diese Privatautonomie steht allerdings unter einem Sittenwidrigkeitskorrektiv: Unzulässig sind Vereinbarungen, die zu einem starken Missverhältnis führen – etwa eine so hohe Verpflichtung, dass die Existenz des Unterhaltspflichtigen gefährdet wäre, oder umgekehrt eine so geringe Leistung, dass die unterhaltsberechtigte Person in gravierende finanzielle Engpässe gerät. Grundsätzlich ist sogar ein vollständiger Verzicht möglich, sofern keine gesetzlichen Schranken verletzt werden.

Unterhaltsverzicht: Vorbehalte und zulässige Reichweite

Weil ein Unterhaltsverzicht weitreichende Folgen hat, ist ein pauschaler Verzicht „im Vorhinein“ auf künftige, noch unbestimmte Unterhaltsansprüche nicht wirksam. Zulässig sind hingegen:

  • Verzicht auf bereits fällige Unterhaltsleistungen.
  • Verzicht auf künftig fällig werdende, aber bereits bestimm- oder berechenbare Leistungen, sofern die verzichtende Person ihren Bedarf aus eigenen Mitteln decken kann oder eine angemessene Abfindung geleistet wurde.

Auch hier gilt stets die Sittenwidrigkeitskontrolle.

1 | Beratung

Rechtsbeistand einholen, Bedürfnis & Leistungs­fähigkeit prüfen.

2 | Einigung

Höhe, Dauer & etwaige Abfindung verhandeln.

3 | Notariatsakt

Vereinbarung schriftlich & notariell beglaubigen lassen.

4 | Wirksamkeit

Sittenwidrigkeits-Check • Selbsterhaltungs­fähigkeit • klare Beträge.

5 | Umsetzung

Zahlungen leisten bzw. Verzicht berücksichtigen › Kontrolle behalten.

Was gilt als sittenwidrig? Maßstab der Rechtsprechung

Sittenwidrig ist eine Abrede insbesondere dann, wenn sie in krassem Widerspruch zu grundlegenden Wertungen steht und ein eklatantes Ungleichgewicht schafft. Allein große Einkommensunterschiede reichen nach der Rechtsprechung nicht automatisch aus. Entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung: wirtschaftliche Verhältnisse beider Seiten, die Möglichkeit der Selbsterhaltungsfähigkeit, der konkrete Regelungsinhalt (z. B. Staffelungen, Gegenleistungen, Abfindungen) sowie die Umstände des Vertragsschlusses.

Jüngere OGH-Linie: Einkommensgefälle allein macht den Verzicht nicht nichtig

Der Oberste Gerichtshof hat jüngst bekräftigt, dass ein Unterhaltsverzicht nicht schon deshalb sittenwidrig ist, weil ein erhebliches Einkommensgefälle besteht. Relevant ist, ob tatsächlich ein untragbares Missverhältnis entsteht und ob die verzichtende Person ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern kann. Ist dies der Fall, kann ein vereinbarter Verzicht Bestand haben. Wurde die Ehe zudem aus gleichteiligem Verschulden geschieden, bestünde ohnehin kein gesetzlicher Anspruch auf nachehelichen Unterhalt – was zusätzlich gegen die Sittenwidrigkeit eines Verzichts spricht.

Praxisnahes Beispiel: In einem entschiedenen Fall akzeptierte eine Ehegattin – als Bedingung für einen Neustart der Beziehung – einen notariell beglaubigten Verzicht mit konkreter Staffelung: im ersten Jahr 3.000 €, im zweiten Jahr 2.000 €, im dritten Jahr 1.000 € monatlich; bei weiterer Nutzung des Hauses sollte sie sich 50 % der entgangenen Miete (maximal 1.000 €) anrechnen lassen. Der OGH hielt die Abrede – unter Berücksichtigung der Selbsterhaltungsfähigkeit und der Gesamtumstände – für wirksam.

Was bedeutet das für die Praxis?

Unterhaltsvereinbarungen und Verzichtsklauseln sind zulässig, solange sie kein grobes Ungleichgewicht erzeugen.

Wer sich selbst erhalten kann oder eine angemessene Abfindung erhält, kann rechtssicherer auf (bestimmbare) Leistungen verzichten.

Ohne überwiegendes oder alleiniges Verschulden der unterhaltspflichtigen Person besteht regelmäßig kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt – ein Verzicht „bestätigt“ in solchen Konstellationen häufig nur die Rechtslage.

Notarielle Beglaubigung, klare Staffelungen, transparente Anrechnungsposten und realistische Bedarfsberechnungen stärken die Wirksamkeit und mindern das Risiko der Sittenwidrigkeit.

Résumé

Wer Unterhalt vereinbart oder auf ihn verzichtet, greift tief in die eigene wirtschaftliche Zukunft ein. Österreichisches Recht lässt hier Spielräume, setzt aber klare Grenzen: Kein pauschaler Vorab-Totalverzicht, dafür zulässige, bestimmbare Regelungen – stets überprüft am Maßstab der Sittenwidrigkeit. Große Einkommensunterschiede allein genügen nicht, um eine Vereinbarung zu Fall zu bringen. Entscheidend ist, ob die Abrede in der Gesamtschau fair bleibt und die verzichtende Person selbsterhaltungsfähig ist.

Rechtsanwalt in Salzburg | RA Mag. Bernhard Brandauer LLB.oec

Ein (persönlicher) Kaffee oder eine Videokonferenz zum Kennenlernen?

Kostenfrei, aber nicht umsonst. Wir hören Ihnen zuerst zu, damit Sie sich sicher sind. Und wenn wir Ihr Anliegen schon beim Erstgespräch lösen konnten – umso besser!

Bitte erwähnen Sie bei Terminvereinbarung und zu Beginn des Gesprächs, dass Sie davon ausgehen, dass dieses kostenlos ist.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.